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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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das Feuer auf das feindliche Schiff übergreift. Versteht ihr?«
    Wir blickten einander starr vor Entsetzen an.
    »Jetzt verstehe ich: die geschnitzte Reling, die prächtige Galionsfigur … diese Dekorationen, die Vergoldungen, sogar Schnitzereien an den Rudern … alles Blendwerk«, sagte Barbello wie betäubt vor Staunen.
    Und wir erkannten jetzt auch, warum die großen mit Wachstuch bedeckten Ballen am Bug nicht ins Meer geworfen worden waren: höchstwahrscheinlich enthielten sie Stroh oder anderes leicht brennbares Material.
    »Nur Brandschiffe haben ein zusätzliches Beiboot, um die ganze Mannschaft zu retten. Darum haben unsere Matrosen das am Bug angebundene Beiboot so nah wie möglich an unser Schiff herangezogen«, fuhr Schoppe fort. »Sie fürchten, dass die Piraten, wenn sie es sehen, erkennen, dass sie ein Brandschiff vor sich haben, und aus der Ferne auf uns schießen, damit wir explodieren.«

    Wir schauten uns um und sahen in den hölzernen Planken dieses Schiffes zum ersten Mal keinen Schutz, sondern eine tödliche Bedrohung. Viele bekreuzigten sich, jemand flüsterte Bittgebete zur Jungfrau |93| Maria, und ich beobachtete, wie Blässe dein jugendliches Gesicht überzog und das Blut aus deinen Lippen wich. Du entferntest dich für einen Augenblick von Rosina und fragtest mich aufgeregt, doch flüsternd, um von den anderen nicht gehört zu werden:
    »Wer um Himmels willen hat eigentlich beschlossen, gerade dieses und kein anderes Schiff der französischen Flotte zu besteigen? Am Hafen von Livorno habe ich viele gesehen! Wollten sie uns in die Luft jagen?«
    Ich hatte keine Zeit, dir zu antworten.
    »Wartet, das Beste kommt erst noch!« Caspar Schoppe hatte noch schlimmere Nachrichten. »Wisst ihr, was es bedeutet, auf einem Brandschiff zu sein? Da das Schiff dafür ausgerüstet ist, zu explodieren, sind Waffen und Miliz an Bord auf das Unverzichtbare beschränkt.«
    »Genau! Es wollte mir doch gleich so erscheinen, dass nur wenige Matrosen an Bord sind«, sagte Malagigi. »Und sogar die Ruderbänke sind nur halb besetzt.«
    »Aber sind diese Brandschiffe nicht ziemlich wertlos? Ich hörte, dass die Venezianer im Krieg um Candia gegen die Türken mit diesen Dingern nicht viel ausrichten konnten«, warf Naudé ein.
    »Richtig«, erwiderte Schoppe, »aber das lag daran, dass die Türken eine List gebrauchten. Sie hatten den Ankerplatz, wo die Venezianer sie angriffen, mit großen Holzplatten umgeben, die mit Eisenketten befestigt waren. Die Brandschiffe waren blockiert, sie verbrannten, ohne sich den türkischen Schiffen nähern zu können.«
    In diesem Augenblick ertönten, kurz nacheinander, zwei weitere Kanonenschüsse. Dann ein dritter, und man hörte ein Knirschen von Holz, während der Kielraum erzitterte und sich unter den Matrosen draußen über unseren Köpfen ein lautes Geschrei erhob. Noch greller ertönten in der Ferne die Schreie des Antreibers, des Kapitäns, des Mannschaftsaufsehers und des Steuermanns. Es war nicht klar, was dort vor sich ging – hatten die Barbaresken uns etwa schon geentert?
    »Sie müssen uns getroffen haben«, jammerte Malagigi, »wir gehen besser an Deck.«
    »Bist du verrückt? Draußen fliegen die Kanonenkugeln!«, erwiderte Barbello, der in diesen Momenten eine weit größere Geistesgegenwart bewies als du.
    Erneut ließ eine, dieses Mal ohrenbetäubend laute und sehr nahe Deflagration alle Anwesenden erzittern. Zwei weitere folgten. Dies war |94| die, allerdings späte, Antwort unserer Kanonen. Das Schiff änderte rasch den Kurs, indem es einen Halbkreis beschrieb. Wahrscheinlich versuchte unsere Galeere ihre Verfolger abzuschütteln, indem sie eine sehr enge Kurve fuhr, das einzige Manöver, bei dem runde Schiffe wie die Karacke der Piraten Schwierigkeiten haben.
    »Nein, lasst uns hier raus!«, beharrte Malagigi. »Riecht ihr den Rauch nicht?«
    Er hatte recht. Im Kielraum verbreitete sich der immer dichter werdende Qualm eines Brandes. Wie viel Zeit blieb noch, bis das Schießpulver auf dem Brandschiff Feuer fing?

    Ohne weitere Diskussionen hasteten wir alle zu der Leiter, die bis an die Falltür im Deck reichte, dem Weg ins Freie. Ich erinnere mich, dass ich selbst den Exodus an die Oberfläche anführte. Erst zuletzt zögerte ich, als ich bemerkte, dass der Rauch über mir, in der Nähe der Falltür, nicht schwächer, sondern dichter wurde. Doch es war zu spät zum Umkehren. Als ich mich umdrehte, sah ich dein verängstigtes Gesicht und hinter dir, dicht

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