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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Leben lag in seinen Händen, vor allem wenn – welch entsetzliche Vorstellung! – keine Einigung über unser Lösegeld mit der französischen Marine zustande käme. Die Tage, als Schoppe auf Kemal reiten und ihn wie ein Tier behandeln konnte, waren vorbei.
    Nachdem er seine Ankündigungen gemacht hatte, warf der Statthalter von Ali Ferrarese seine lange, ergraute Mähne nach hinten und |717| verschwand, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Wir sahen ihn nie wieder.

    Die letzten diplomatischen Scharmützel zwischen Korsaren und Franzosen waren Gott sei Dank alsbald beigelegt. Geld kann sogar Berge ebnen, und der Kapitän des Schiffes Seiner Majestät, des Allerchristlichsten Königs von Frankreich, hatte sich ausreichende finanzielle Mittel besorgt, um die Sache zu erledigen.
    Mit dem Lösegeld war nun endgültig alles zum Schweigen gebracht. Nur vier Geiseln würden nicht wieder heimkehren: die drei Bärtigen und der angebliche ehemalige Kommissar von Gorgona. Ihnen stand ein abenteuerlicher Epilog bevor, denn die Franzosen waren nicht bereit, auch nur einen blanken Heller für sie zu bezahlen. Also verkaufte Ali Ferrarese sie für wenig Geld an die Sklavenbäder von Tunis.
    Unsere Übergabe durch die muselmanischen Barbaren an das christliche Lager fand mitten auf See statt, als wir vom Beiboot der Korsaren in eine Schaluppe der französischen Marine umstiegen.
    Doch das elegante Schiff, auf dem wir nun endlich in Sicherheit waren, nahm nicht sofort Kurs auf die Heimat. Wir machten einen letzten kurzen Halt an der Insel, die uns alle beherbergt und den Traum jener genährt hatte, die in den Papieren des Philos Ptetès den Schlüssel ihres irdischen Ruhms gesucht hatten.
    Die Ellbogen auf die Reling gestützt, stand ich an Deck neben Schoppe, und wir beobachteten Naudé, wie er von Bord ging und sich mit drei französischen Unteroffizieren auf den Weg in den unbewohnten Ort machte, um dort die Tasche aus hartem Leder mit der Kopie der Bibel für die Bibliothek des Kardinals zu holen. Von der bewaffneten Bande, die uns von der Insel gejagt hatte, war keine Spur zu sehen. Die verrückten Bewohner Gorgonas hatten sicherlich das Schiff Seiner Allerchristlichsten Majestät des Königs von Frankreich gesehen und sich in ihre Verstecke zurückgezogen.
    Es gab jedoch ein kleines Schiff der Marine des Stephansordens, dem ein paar Fischer gemeldet hatten, dass sie im Vorbeifahren Gewehr- und sogar Kanonenschüsse auf der Insel gehört hatten. Eine Suchaktion, um jene zu bestrafen, die in die Festung eingebrochen waren und Munition und Bombarden aus dem Besitz des Großherzogs der Toskana |718| benutzt hatten, war bereits in vollem Gange. Den armen geisteskranken Inselbewohnern würde mit Sicherheit schon bald eine sehr viel strenger bewachte Unterbringung auf dem Festland zugewiesen werden. Unter den Matrosen ging das Gerücht um, dass man die Schar der Irren in diskreten Verhandlungen sogar Alis Korsaren angeboten hatte, doch der Seeräuber habe, so hieß es, das Angebot mit einer knappen Bemerkung abgelehnt: »Verrückte habe ich schon genug an Bord.«
    Als Naudé wieder bei uns war, sah ich ihn ein Blatt Papier in den Händen halten. Es war die Karte der Insel. Nach dem Ende von Philos Ptetès war sie die einzige Verbindung zum Schatz des Mönchs gewesen. Jetzt war sie wertlos. Naudé blickte mich finster an, zögerte, dann zerknüllte er das Blatt und warf es ins Meer.
    Ich blickte zum Verehrungswürdigen hinüber. Jetzt sah man genau, dass er krank war. Er hustete schwer und verbrachte die ganze Überfahrt in einem Sessel an Deck sitzend oder unter Deck liegend, wo es an Platz nicht mangelte, da das französische Schiff rund war, keine Galeere. Sie war fast verstummt, die teutonische Hydra von Lerna, wie Bouchard den alten Schoppe in seinen Aufzeichnungen genannt hatte. Ich ahnte, dass die Fälschungen von Poggio Bracciolini ihm immer noch bitter aufstießen. Also zog ich zwei grob mit einem Faden zusammengenähte Heftchen hervor. Sie waren zerknittert, aber noch lesbar. Ich reichte sie ihm:

    CHIFFRE DER NAMEN
    Platons Dialoge

    »Warum erst jetzt?«, fragte er mit brüchiger Stimme, während er darin blätterte.
    »Ich wollte sie nicht hervorholen, solange wir noch auf der Karacke der Korsaren waren. Sie hätten uns die Papiere weggenommen. Kemal scheint sich in den Kopf gesetzt zu haben, nun auch mit dem Verkauf von Handschriften Geld zu machen. Ihr habt es doch gehört, oder? Er will das Gastmahl des Trimalchio

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