Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
Vom Netzwerk:
Campanella, Thomas Morus und Rabelais waren nie ein Geheimnis für mich. Ich ahnte schon bald, dass es sich um |746| den Inhalt alter Bücher handeln musste, die irgendeines der vielen vorüberfahrenden Schiffe auf der Insel gelassen hatte.

    Und jetzt lass mich den Kummer gestehen, den ich seit Jahren im Herzen trage: Wenn ich den Brief von Philos Ptetès an die gelehrten Pariser nie geschrieben hätte, wenn ich euch nicht zum Versteck von Poggios Fälschungen geführt hätte, dann befänden sich diese Handschriften noch bei mir zu Hause in Sicherheit. Stattdessen haben sie sich im sauren Morast eines Schweinestalls auf Gorgona aufgelöst und sind dem menschlichen Wissen und dem gerechten Urteil der Nachwelt für immer verloren.
    Denn das Fatum ist mir wirklich nicht hold gewesen. Das Schicksal, das die Namen und die Missetaten von Poggio Bracciolini, Darmarios und Diassorinos seit Jahrhunderten beschützt und aus den leeren Hüllen Platon und Aristoteles zwei Menschen gemacht hat, die fast realer und lebendiger sind als wir alle, nun, dasselbe Schicksal hat mich zum Zerstörer dessen bestimmt, was ich ans Licht bringen wollte.
    Natürlich musste ich mit unzähligen Zwischenfällen und Schwierigkeiten fertigwerden, einschließlich der aggressiven Natur der Irren von Gorgona, die ich bei meinen vorhergehenden Ortsbesichtigungen nicht hatte gewahren können. Mit ihren Kriegsspielen haben diese Verrückten unser Leben gefährdet, vor allem in der Grotte des Seeochsen. Und wer, verflucht, hätte gedacht, dass die Bombarde in der Torre Vecchia noch perfekt funktionierte?
    Fest steht, dass ich alles ruiniert habe, ganz so, als hätte Bouchard seine Aufzeichnungen und Poggios Falsifikate Cassiano dal Pozzo direkt übergeben. Das ist ganz allein meine Schuld.
    Prompt hat das Schicksal mich mit seiner launigen Ironie bestraft. Ich hatte vorgetäuscht, dass Poggios Handschriften aus Slawonien kommen. Die einzige Handschrift, die der Vernichtung entgangen ist, das Gastmahl des Trimalchio, ist nun durch Ali Ferrarese, der meinen Lügen geglaubt hat, wirklich in Slawonien gelandet.
    Ich akzeptiere die Leiden meiner Reue. Groß und fürchterlich war meine Arroganz. Ich glaubte, alles in der Hand zu haben bei einer Geschichte, deren Hauptfiguren Secretari waren wie ich: Secretari der |747| Barberini waren Bouchard und Naudé, »Secretarius« ist die Bedeutung des Namens Synkellos.
    Ich, ein Secretarius, dessen ganzes Leben stumme Überredungskunst ist, glaubte, alles von oben lenken zu können wie ein Marionettenspieler: mit einem falschen Schatz eine ganze Schar von Gelehrten zu ködern, sie auf einer entlegenen toskanischen Insel zu versammeln, zu entscheiden, wer von ihnen würdig sei, den Kampf gegen die pervertierte Zeit aufzunehmen, und schließlich Naudé vor das Gericht seines Gewissens zu stellen. Die Theologen haben die Würde des Secretarius jener der Engel verglichen, die Gott am nächsten sind. Tatsächlich habe ich durch Hochmut gesündigt wie einer dieser Engel. Wenn ich es irgend vermocht hätte, ich hätte mich zur Göttlichen Vorsehung gemacht und Sonne und Regen befohlen, sich meinem Willen zu unterwerfen. Doch wer ist wie Gott? Also habe ich bezahlen müssen: In Naudé habe ich keinen Verbrecher, sondern einen einfältigen Mitläufer gefunden, und statt der Nachwelt die Beweise für einen gewaltigen Betrug zu liefern, habe ich sie zerstört.
    Wie soll man die Welt jetzt noch davon überzeugen, dass der Zeit Gewalt angetan wurde? Woher die Beweise, die Argumente nehmen? Wir müssen mit dem Rechenbrett neu anfangen und alle Lügen Stück für Stück widerlegen. Nur die zwei Heftchen mit der Chiffre der Namen und den Lügen des Aristoteles und Darmarios sind dem Zerstörungswerk entgangen: sie gehören einem soeben geborenen Kind.
    Wer erneut von Grund auf Beweise sammeln wird, Krümeln gleich, die vom Tisch der Herrschenden fallen, den wird man als Verrückten, als Visionär und als anmaßend beschimpfen, er wird den Hohn derjenigen ertragen müssen, die seit jeher triumphieren. Beten wir, dass Zorn und Schmerz ihm nicht das Herz zerreißen.
    Bei null, nein, bei weniger als null hebt nun der Kampf um die Wahrheit wieder an. Auf der einen Seite die Großen: Poggio, Scaliger, Aristoteles und Platon, Legionen von Philologen, Historikern, Verlegern, Literaten. Auf der anderen Seite der zarte Atem von Hardouins Sohn dort in Paris, und die Worte eines jungen Franzosen, der von allen verraten und feige ermordet wurde.

Weitere Kostenlose Bücher