Das Mysterium der Zeit
nur eine kleine Komödie, die wir viele Male gespielt haben. Wir amüsierten uns auf Kosten der Leute, die auf Gorgona Trinkwasser schöpfen |750| kamen. Wir taten so, als würden wir von Banditen entführt, ich befreite mich, kehrte zurück und rettete unsere ahnungslosen Opfer aus der Grotte des Seeochsen, genauso wie wir es mit Euch gemacht haben. Dann ging es an die Rettung meines armen Gefährten, aber wir fanden ihn gut zurechtgeschnitten und gekocht vor, haha! Und wenn die anderen erkannten, dass sie Menschenfleisch gegessen hatten, rannten sie entsetzt davon! In Wirklichkeit war es ein Hammel. Alles war nur ein Scherz! Aber jetzt haben sie meinen Kameraden wirklich getötet. Und nicht nur gekocht und gegessen, sondern sogar enthäutet! Oh Gott, oh mein Gott!«, keuchte er zu Tode erschrocken.
»Wovon faselst du denn da?«, fragte ich ungeduldig.
»Von dieser Menschenhaut, die ich in dem Sack gefunden habe!«
Mir blieb die Luft weg.
Nicht wegen der Erklärungen des armen Irren. Denn schon du, lieber Atto, hattest gesehen, dass einer der Tollwütigen, die uns in dem verlassenen Städtchen verfolgten und auf uns schossen, niemand anderes als der falsche Philos Ptetès war. Wir waren keine Menschenfresser gewesen, sondern nur Opfer des geschickten Theaters dieser gefährlichen Irren.
Etwas anderes verschlug mir die Sprache. Was der Armselige mir da zeigte, war wirklich eine menschliche Haut, die die Formen eines männlichen Körpers aufwies. Allmächtiger Himmel, wer war der unglückliche Mensch, dem sie gehört hatte? Diese Haut, sorgsam in dem Sack aus gewachstem Leinen gehütet, hatte ich sogar betastet, freilich ohne zu erkennen, worum es sich handelte. Ich hatte sie für altes, vertrocknetes Leder gehalten. Allzu absurd war die Wahrheit, obgleich wahr.
Und ich hatte gedacht, ich wäre am Ende angelangt. Bouchard ruhte endlich in Frieden, da tat sich schon ein neues schwieriges Kapitel voll ungelöster Fragen auf. Damals wusste ich wirklich nicht, wem diese vertrocknete Menschenhaut gehören konnte. Wir sollten es schon bald entdecken, nachdem wir in Paris am französischen Hof angekommen waren. Als wir in Toulon von Bord gingen, hatte die gerissene Barbara Strozzi sich unserer Gruppe offiziell vorgestellt, während der verschwundene Barbello nur ein Billet hinterließ: Er kehre nach Venedig zurück, weil er krank sei.
In der Poststation von Toulon rüstete sich deine nicht mehr verkleidete Frau dann zur bevorstehenden eiligen Reise nach Paris. Begleitet |751| wurde sie von dir, Malagigi, Naudé und Hardouin, der es nicht erwarten konnte, zu seiner Familie zurückzukehren.
Unterdessen häuften sich die Fragen, die ich in meinem Herzen bewegte: War die Menschenhaut, die diese Frau in ihrem Sack aufbewahrte, ein Täuschungsmanöver? Oder das Indiz für einen Mord? Ich hatte Barbello nicht bei uns auf dem Brandschiff gewollt. Erst während unseres Aufenthaltes in Paris, während der Proben zu jener geheimnisvollen Oper, die sich schließlich als
Orfeo
von Luigi Rossi entpuppen sollte, erfuhren wir die Wahrheit. Erst dort sollte ich endlich verstehen, warum die Strozzi dafür gesorgt hatte, auf deinem Schiff an Bord genommen zu werden. Sie brauchte einen zuverlässigen Freund für ihre Mission am französischen Hof. Und schließlich ahnte ich auch, dass Barbara sich mir offenbart und hingegeben hatte, weil sie voraussah, dass sie mich am französischen Hof noch dringender brauchen würde als dich. Aber das gehört zu einer anderen Geschichte, nicht wahr?
Jetzt möchtest du wahrscheinlich, dass ich noch seitenlang fortfahre mit meinen Enthüllungen über den Plan, den ich für unser Abenteuer auf Gorgona ausgeheckt hatte.
Sicherlich möchtest du auch, dass ich noch einmal ausführlich über alle Entdeckungen spreche, die wir dank der Schriften Bouchards auf Gorgona gemacht haben: die Märchen, die die Historiker des alten Rom erzählten; die gerissenen Banden, die die historischen und literarischen Werke der griechischen Antike fälschten; ihre gelehrten Freunde, die heute als Entdecker und Verbreiter des Altertums verehrt werden; alles, was wir erfahren haben über Galileo, Aristoteles, Platon, Poggio Bracciolini, Andrea Darmarios, Scaliger, die Tetrade, die
Deniaisez,
die Brüder Du Puy, Cassiano dal Pozzo, Ciriaco d’Ancona, Pirro Ligorio, Elia Diodati, Synkellos, Manetho, Berossos, Casaubon, die erotischen Tagebücher Bouchards und vieles andere mehr.
Kurzum, du möchtest, dass ich dir noch einmal
Weitere Kostenlose Bücher