Das Mysterium der Zeit
erkläre, wie die Pervertierte Zeit entstand und wie sie mit all den schönen Erzählungen des Altertums gefüllt wurde. Und auch warum die beiden Geschichten um Galileo und die Philologie ein gemeinsames Muster offenbarten. Galileo und die Philologen haben denselben Fehler begangen: beide haben bloße Vermutungen zu Gewissheiten erhoben.
|752| Schließlich möchtest du, dass ich dir noch einmal einschärfe, dass es eine moralische Pflicht ist, mit dem eigenen Kopf zu denken, statt Moden hinterherzulaufen, dass man auch den hochtrabenden Rednern, die von ihren Kathedern herab das Gesetz diktieren, unbequeme Fragen stellen muss, dass man sich nicht von den Überschriften der Gazetten beeindrucken lassen darf und nicht alle Ammenmärchen glauben darf, die die sogenannten Meisterdenker und die Herren Leichtgläubigen uns weismachen wollen, ohne Nachfragen zu erlauben.
Diese letzte kleine Genugtuung bekommst du nicht, mein lieber Junge.
Du besitzt mein Geständnis. Du hältst es in Händen, in Gestalt schwarzer Tinte auf Papier. Doch denke nicht, ich hätte diese umfangreiche Sammlung aus Diskursen, Betrachtungen, Notizen und Dialogen zum Nutzen und Frommen des Signorino Atto Melani nur geschrieben, um deinen momentanen Bedürfnissen entgegenzukommen. Nein, diese Seiten sollen dir eine Schule des Lebens und Denkens sein.
»Ich hab dir vorgelegt, nun musst du speisen«, sagt der große Dante. Wenn du noch mehr wissen willst, brauchst du den Weg entlang der Seiten, die du soeben hinter dir gelassen hast, nur zurückzugehen und mit Hilfe von Geist und Herz ihre Hintergründe enthüllen.
Bevor ich dir eine ersprießliche rückwärtsgewandte Lektüre dieser Papiere wünsche, möchte ich dir danken, mein innig geliebter Atto. In den vergangenen Jahren hast du mir erlaubt, dir wie ein Vater und ein Freund zur Seite zu stehen, hast dir nie etwas anmerken lassen und viele weitere Abenteuer gemeinsam mit mir erlebt, ohne mir je wegen meines verspäteten Geständnisses Vorwürfe zu machen.
Du hast damit dein Vertrauen und deine Zuneigung bezeugt.
Doch allem voran noch etwas anderes, das ich dir zu
geben glaubte, während du es mir erwiesest:
Du, mein geliebter Atto, gabst mir
ein grandioses Zeugnis der
VERSCHLEIERUNG
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|753| KURZE ANMERKUNG DER AUTOREN
Nur selten enthüllt die Zeit wundersame Geschichten; für gewöhnlich werden sie von ihr verborgen. Ein historischer Roman ist nichts anderes als die Vervollständigung einer in Dokumenten erzählten Begebenheit, in denen aber das Ende, das den Sinn des Ganzen freigelegt hätte, fehlt.
Wie immer also basiert alles, was die Leser in unserem Roman finden, auf historischen Quellen. Einzige Ausnahme ist natürlich die Handlung, die notwendig ist, um das zu vereinen, was nur scheinbar voneinander getrennt war.
Um alle Nachforschungen und Lektüren in der Vorbereitung dieses Romans zu erläutern, müsste die ohnehin schon große Seitenanzahl verdoppelt werden. Die abschließende Bibliographie kann eine Übersicht bieten; im Folgenden finden sich nur die Spuren, die uns am meisten gefesselt haben und die es wert sind, erwähnt zu werden.
|755| ANHANG I
DAS RÄTSEL UM BOUCHARD
Jean-Jacques Bouchard (Paris 1606–Rom 1641) ist heute nur einem engen Kreis von Wissenschaftlern, die sich mit dem 17. Jahrhundert beschäftigen, ein Begriff. Ebenso war sein Name auch in der Epoche, in der sich sein kurzes Leben als Gelehrter der griechischen Klassiker und als Sekretär der Familie Barberini abspielte, außerhalb der gebildeten Kreise von Paris und Rom nicht bekannt.
Nicht einmal in der homosexuellen Literatur wurde er neu bewertet, aufgrund des selbstverachtenden Charakters der erotischen Erzählungen in seinem Tagebuch, die bar jeden homosexuellen Stolzes sind.
Warum ist Bouchard also so bedeutend?
Die Angelegenheit Bouchard zeigt beispielhaft, wozu einige Protagonisten der Menschheitsgeschichte fähig sind. Wie wir beweisen konnten(siehe unten), wurde Bouchard in den letzten Monaten seines Lebens Opfer eines Attentats, einer Verschwörung und einer Nötigung, die die von uns herangezogenen Gutachter mit dem verglichen, was Aldo Moro, der Kopf der Christdemokraten, erlitten hat, als er 1978 in der zweimonatigen Gefangenschaft der Terroristengruppe Brigate Rosse, die seiner Ermordung vorausging, mit eigener Hand Briefe und Memoiren niederschrieb, deren Inhalte bis heute unter dem Verdacht stehen, von den Terroristen erzwungen worden zu sein.
Der Unterschied
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