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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Frauenorden verschmähten es nicht, dem Willen des Schöpfers mit einigen gekonnten Betrügereien unter die Arme zu greifen (T. Schilp:
Die Gründungsurkunde der Frauenkommunität Essen. Eine Fälschung aus der Zeit um 1090
, in: »Studien zum Kanonissenstift«, 2001, S. 149–183). Die Fälschungen aus dem Mittelalter gleichen einem Fass ohne Boden und beschäftigen seit Jahrhunderten Heerscharen von Wissenschaftlern. Es wäre absurd zu versuchen, dieses komplexe historische Problem in wenigen Zeilen zusammenzufassen. Nichtsdestotrotz zeichnet sich schon dank der wenigen Andeutungen, die wir gemacht haben, ein klares Bild ab: Die skrupellosen Gemeinschaften der Klöster von Corvey, Melk, Fulda oder Reichenau, in denen man Fälschungen von beachtlichem |798| Erfindungsreichtum fabrizierte, werden uns heute als die Garanten des klassischen literarischen Erbes verkauft. Ist das eine wohlbedachte Haltung oder vielleicht eine Fallgrube für Leichtgläubige?
    Das Scaliger-Desaster und seine Hagiographen
    Weiter unten wird (anhand der bizarren Geschichte des verwegenen Professor Protsch) die Möglichkeit erörtert, dass auch in unserem so sicheren 21. Jahrhundert der eine oder andere moderne Darmarios seelenruhig am Werk ist. Kehren wir zu unserem zentralen Thema zurück: Wessen Kind ist die Universale Chronologie, die wir heute benutzen? Joseph Justus Scaligers, wie wir wohl wissen.
    Wie der italienische Humorist Ennio Flaiano sagte: Nach der Schlacht muss man dem Gewinner immer zu Hilfe eilen. So geschah es mit Scaliger. Nachdem sich seine Chronologie auf überraschend felsenfeste Weise behauptet hatte, vermehrten sich auch Scaligers Hagiographen.
    Im 19. Jahrhundert war es der deutsche Philologe Jacob Bernays, der ein huldigendes Porträt über ihn in Druck gab (
Joseph Justus Scaliger
, Berlin 1855). Zurzeit ist der Amerikaner Anthony Grafton sein autorisierter Biograph. In den zwei Bänden der monumentalen intellektuellen Biographie Scaligers (
Joseph Scaliger. A Study in the History of Classical Scholarship
, New York 1983–1993) erwähnt Professor Grafton jedoch mit fast keinem Wort, dass sein Lieblingskind die eigenen adeligen Wurzeln erfand, indem er den Vater Giulio Bordon zu Julius Caesar Scaliger machte. Grafton unternimmt auch (ebd., II, S. 548ff.) den kühnen Versuch, die wohl gröbste Fälschung seines Lieblings als eine lässliche Sünde durchgehen zu lassen: die fiktive Liste der Olympischen Spiele, die Scaliger zusammenstellte, um die Berechnung der Zeit im antiken Griechenland für eigene Zwecke zu rekonstruieren.
    Grafton kann jedoch nicht leugnen, dass Scaliger bei der Rekonstruktion der einzelnen Systeme zur Berechnung der Zeit, von Griechenland bis Mesopotamien, von den arabischen Ländern bis nach Ägypten, ein wahres Desaster anrichtete. Der amerikanische Professor versucht die Neuheit in der Zeitrechnungs-Methode Scaligers zu unterstreichen, also die Kombination aus Beobachtung von Himmelsphänomenen (Sonnenfinsternissen, Kometen etc.) und Daten aus der geschichtlichen Überlieferung (Herrscherverzeichnisse, Auflistungen der olympischen Spiele, Daten von Schlachten, etc.). Doch Scaliger stützte sich, wie auch sein wohlwollender Biograph zugeben |799| muss, massiv auf das
Liber de Epochis
(Basel 1578) von Paul Krauß, einem mäßig bekannten deutschen Professor aus Jena, dessen dünnes, aber innovatives Handbüchlein zur Zeitrechnung, das postum erschienen war, bereits eine komplette Aufstellung von Zeitangaben ab dem Jahr 3963 v. Chr. (Zeitpunkt der Schöpfung) bis zum Jahr 622 n. Chr. (Hedschra Mohammeds) enthielt und von Scaliger ausgiebig ausgeplündert worden war (Grafton,
Scaliger
, Band II, S. 276–279). Es stellt sich also die Frage: »Warum erhob Scaliger so leidenschaftlich Anspruch darauf, dass Ergebnisse, die er von anderen übernommen hatte, neu, entscheidend und von Seiten ernstzunehmender Wissenschaftler nachzueifern seien?« S. 192: »Die Einbeziehung des islamischen Jahres trug notwendigerweise wenig und unzuverlässig zur Verfeinerung des schon Vorhandenen bei.« Darüber hinaus, gibt Grafton zu, verwickelte sich der Vater der modernen Zeitrechnung in eine Reihe von »Fehlern, erzwungenen Interpretationen und Missverständnissen« (S. 177). S. 162: »Sein griechischer Kalender schien solide und präzise, war aber in Wahrheit ein Hirngespinst, verschwommen und brüchig bei näherer Betrachtung.« S. 246: »Selbst ein ihm geneigter Leser hätte seine Darstellung der Kalendarien

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