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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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römischer Offizier seine Einwilligung gibt, bestochen zu werden (vgl.
Der Spiegel
44/2000). Schon dies wäre eine ziemlich erheiternde Geschichte, da ein Bestechlicher und sein Verführer sicherlich als Letztes einen Beweis in Umlauf bringen würden, der sie beide festnagelt. Aber der Höhepunkt ist, dass die Berliner Museumskuratoren glaubten, in einer griechischen Formulierung des Einverständnisses auf dem kleinen Schriftfragment (
genesthoi
– so soll es sein), die bestätigende Unterschrift von niemand anderem als Kleopatra, der berühmten Königin von Ägypten, zu erkennen. Und das neben dem Geständnis einer Straftat! Der renommierte
Spiegel
wie auch andere Medien und weitere Millionen Leser schluckten diesen kolossalen, erheiternden Unsinn, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Ein weiterer exemplarischer Fall ist der des berühmten Papyrus von Hearst, einer Sammlung medizinischer Rezepte, die die Experten auf das 20. Jahrhundert vor Christus datierten und die noch heute auf der Liste der bedeutendsten Papyri der Welt steht. 1901 fanden in Ägypten unweit von Der-El-Ballas archäologische Ausgrabungen statt, gesponsert von der Familie Hearst, den berühmten amerikanischen Pressemagnaten. Ein einheimischer Arbeiter bat die Amerikaner um Erlaubnis, ein wenig Dünger von ihrem Komposthaufen nehmen zu dürfen. Großzügig sagten die Amerikaner ja. Um ihnen zu danken, schenkte der Junge ihnen einen fast viertausend Jahre alten Papyrus. Der Jubel im amerikanischen Lager war groß. Niemandem fiel auf, dass der noch zusammengerollte Papyrus ein bisschen neu zu sein schien. Generationen von Ägyptologen und Philologen untersuchten ihn, Bücher, Artikel und Doktorarbeiten wurden über ihn geschrieben. Bis einigen Gelehrten die Idee kam, dass es sich bei dem Papyrus um eine hübsche Fälschung handeln könnte, und dass die Geschichte mit dem Dank für das Häufchen Dung vielleicht ein bisschen zu schnell geglaubt worden war.
    In derartigen Fällen lässt sich ein alter Fuchs der Papyrologie wie der Amerikaner Edwin Smith leicht als Drahtzieher hinter den Kulissen vorstellen. Der Kunsthändler, Geldverleiher und Fälscher war in Luxor von 1858 bis 1876 |802| aktiv, oft in enger Zusammenarbeit mit dem Ägypter Mustafa Agha, einem Glücksritter vom selben Schlag. Es ist vielsagend, dass kein Gelehrter an der Authentizität der Papyri, die von diesen beiden Filous hervorgezaubert wurden, wie dem Papyrus Edwin Smith, der in der Medizinischen Fakultät von New York aufbewahrt wird und dessen Herkunft völlig unbekannt ist, den kleinsten Zweifel hegt. Auch der andere bekannte Papyrus, den Smith erwarb und dann an den deutschen Sammler Georg Ebers veräußerte, ist von unbekannter Herkunft: Er wurde angeblich bei einer Mumie gefunden, doch es bleibt ungeklärt, von wem Smith ihn gekauft hatte und wo der genaue Fundort lag. (Die jüngste Datierung des Papyrus auf das 16. Jahrhundert v. Chr. stammt von Kitchen, dem englischen Gelehrten, der sich gegen jeden Versuch einer Revision der ägyptischen Zeitrechnung wehrte.)
    Und doch müsste man auf diesem Feld fortwährend höchste Wachsamkeit üben, vor allem angesichts von Fällen wie dem heute in der Rylands Papyri Collection aufbewahrten bekannten »Book of the Dead«, das, obwohl seine Zeichnungen selbst einen Laien stutzig gemacht hätten, lange Zeit für echt gehalten wurde und dann ordnungsgemäß in der Gehenna der wertlosen Fälschungen landete.
    Decken wir gnädig den Mantel des Schweigens über den jüngst von einer italienischen Bank für 2,75 Millionen Euro gekauften Artemidor-Papyrus, der triumphierend in Ausstellungen und Publikationen vorgezeigt wurde und dann von dem Philologen Luciano Canfora als Fälschung entlarvt wurde (höchstwahrscheinlich von Constantin Simonides, einem berühmten Betrüger des 19. Jahrhunderts, angefertigt), was dazu führte, dass er sich nun in der Bilanz der Bank mit null Euro niederschlägt.
    Was passiert in der Welt der Papyri? Der Italiener Antonio Carlini von der Universität Pisa beklagt, »dass der Papyrus als Beleg zu oft genau in dem Moment an Wert verliert, in dem er entscheidend für das Verständnis eines Textes wäre.«
    Schaut man sich zum Beispiel die Papyri an, auf denen die Texte Aristoteles überliefert wurden, ist man fassungslos angesichts der leblosen Knappheit der materiellen Träger. Das führende Werk hierzu ist weiterhin, obwohl unvollendet, P. Moraux,
Aristoteles Graecus: die griechischen Manuskripte des Aristoteles
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