Das Mysterium der Zeit
sie dort gegen die böse Nachrede der Ungläubigen und die Verleumdungen aus dem Kreis ihrer Familie wegen ihrer jungfräulichen Mutterschaft verteidigt. Marias Vater heißt Imran. Die Hauptfigur der dritten Sure ist Hanna, die Mutter Marias, die wie alle Jüdinnen einen Jungen gewollt hätte und das Kind noch vor der Geburt Allah anbot.
»Allah? Ihr meint Jahwe«, sagte Malagigi fragend, der wie wir alle begonnen hatte, Schoppes Ansprache interessiert zu lauschen.
»Für die Muselmanen sind Gott, Jahwe und Allah ein und dieselbe Person«, erklärte Schoppe und fuhr fort: »Als sie dann ein Mädchen gebar, weihte die Mutter das Kind und seine Nachkommenschaft trotzdem Allah. Allah nahm die Tochter des Imran an, ja, er duldete sie sogar im Tempel, und sie wuchs in wundersamer Güte, Treue, Keuschheit und im Gehorsam auf. Der Priester Zacharias nahm sie unter seinen Schutz, und jedes Mal, wenn Zacharias bei ihr eintrat, in den Mihrab neben dem Tempel, wo Maria wohnte, fand er Speisen vor, die wie durch ein Wunder aufgetaucht waren, und er fragte: ›Maria, woher kommt dir dieses?‹ Und sie antwortete: ›Es kommt von Allah, denn Allah gibt in seiner Vorsehung dem, der bedürftig ist, ohne Rechenschaft zu fordern.‹ Dem Koran zufolge erschienen Engel, um dem Mädchen seine zukünftige Heiligsprechung und Glorie zu offenbaren: ›O Maria, Allah hat dich wahrhaftig vor allen anderen Frauen der Welt auserwählt und dich gereinigt. O Maria, sei deinem Herrn fromm ergeben, werfe dich nieder und bete ihn an.‹«
|126| »Wäre da nicht der Name Allah, würde man meinen, eine Predigt in der Kirche zu hören, statt den Koran«, brummte Guyetus, der nicht begriffen hatte, dass Schoppe, unter dem Deckmantel einer besserwisserischen Erörterung, in einem Augenblick der Angst und der Gefahr aus bedrängter Seele ein Loblied auf die Jungfrau Maria angestimmt hatte.
»Ich bin vollkommen einverstanden mit Euch! Ja, ich betrachte das sogar als ein Kompliment!«, frohlockte Schoppe, den das ungeduldige Gesicht von Guyetus nur noch mehr anfeuerte. Er sprach weiter: »Am Tag der Verkündigung sagte der Erzengel Gabriel zu ihr: ›O Maria, Allah verkündet dir die frohe Botschaft eines Wortes von sich, und sein Name wird Jesus Christus sein, der Sohn Marias, erhöht in dieser Welt und in der anderen, und er wird sein einer von jenen, die Allah am nächsten sind.‹ Sie entgegnete: ›Wie kann ich einen Sohn gebären, wenn kein Mann mich je berührt hat?‹ Der Erzengel antwortete: ›So wird es sein. Dein Herr hat gesagt: Es fällt mir leicht, dies zu bewerkstelligen.‹«
»Wenn man dann bedenkt, dass die Barbaresken bei einer der jüngsten Plünderungen an den toskanischen Küsten eine Statue der Madonna mit dem Kopf voran in den Kot gesteckt und ein Kruzifix angezündet haben«, überlegtest du. »Und ich weiß, dass sie das überall an den italienischen Küsten tun. Jedes Mal gehen die Barbaresken besonders blindwütig und sinnlos gegen die Kirchen vor: Sie stehlen die heiligen Paramente, die Kelche, Monstranzen und Kreuze, sie zerschlagen das Kruzifix am Altar und zerstören alle Reliquien und heiligen Bilder. Sie werfen das Allerheiligste auf den Boden, trampeln darauf herum und stehlen den Hostienkelch, nicht ohne zuvor den Tabernakel verbrannt zu haben. In Apulien, Kalabrien und Ligurien und anderswo haben die Muselmanen hunderte von Madonnenstatuen verhöhnt und dann verbrannt.«
»Ja, das passt schlecht zu den Worten des Koran über Maria und Jesus, nicht wahr?«, bemerkte Schoppe sarkastisch. »Im Koran sagt Allah selbst, Maria sei ›jene, die ihre Jungfräulichkeit hütete, sodass Wir Unseren Geist in sie gehaucht und sie und ihren Sohn zu einem Zeichen für die Welt gemacht haben‹. Und nach der Geburt offenbarte das Jesuskind selbst seine Mission, indem es wunderbarerweise aus der Wiege zu den Verwandten seiner Mutter sprach, die über die unerwartete Geburt empört waren: ›Ich bin der Diener Gottes. Er hat mir |127| die Schrift gegeben und mich zum Propheten gemacht, er hat mich gesegnet, wo immer ich sei. Er hat mir das Beten und die Barmherzigkeit aufgegeben, solange ich lebe, und die Achtung vor meiner Mutter. Er hat mich nicht gewalttätig und nicht böse gemacht. Friede sei mit mir, am Tag meiner Geburt, am Tag, an dem ich sterbe und am Tag, an dem ich auferstehe.‹«
»Ich habe ebenfalls einige Ausgaben des Koran studiert, auf die ich in Frankreich gestoßen bin.« Hardouin, der unterdessen seinen Psalm
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