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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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er. Er bekräftigt alles, was aus seiner türkischen Identität folgt, auch Piraterie, Morde und Folter. Allerdings leugnet er die Episode mit den abgebissenen Ohren. Während der »Arbeit« können gewisse Unrechtmäßigkeiten immer vorkommen, räumt er ein. Der Kommandant des Schiffes muss sich Respekt verschaffen, mehr nicht. Und die Geschichte von dem Hauptmast, den die Sklaven drei Stunden lang tragen mussten? Unwahrscheinlich, wendet er ein, denn der Mast einer Galeere ist so lang und schwer, dass eine ganze Rudermannschaft ihn nicht einmal fünfzehn Minuten lang auf den Rücken tragen könnte, von drei Stunden ganz zu schweigen. Auch der Vorwurf, er habe die Tötung möglichst vieler Christen geplant, sobald er zurück in Tunis war, sei schlicht und einfach unglaubwürdig. Er habe zwar viele Nazarenersklaven besessen, doch die muselmanische Gerichtsbarkeit hätte ihn zur Verantwortung gezogen, wenn er sie umgebracht hätte.
    Dann geht er zum Gegenangriff über: Auch die Zeugen der Anklage hätten gesagt, er sei stets türkisch gekleidet gewesen, einschließlich Turban. Genau so ist es, ich habe als vollkommener Türke gelebt, sagt er, und bin stolz darauf. Er bestätigt die Gefangenschaft in Neapel, wendet das gegnerische Argument jedoch zu seinem Gunsten um: Warum, fragt er, hat mich denn niemand von denen, die mich während meiner Gefangenschaft kennenlernten, beschuldigt, ein abtrünniger Christ zu sein? In Neapel wurde ich als Türke losgekauft, denn ein solcher bin ich, und ich wurde gegen einen Christen ausgetauscht.
    Er behauptet, nie Mannschaftsführer auf einer Galeere gewesen zu sein, weder in Bizerta, noch woanders (seltsamerweise hatte er dies schon bestritten, noch bevor die Zeugen es erwähnten). Er sei zum Rais über fünf runde Schiffe ernannt worden, mit denen er im Golf von Venedig und dann Richtung Candia gesegelt sei, und dabei habe er zweihundertfünfzig Christen gefangen genommen. In Tunis nennt man ihn Ali Carandangilse, was Ali vom Schwarzen Meer bedeutet, nicht Ali, der Abtrünnige, wie manche Zeugen sagen. Ich bin in Sinope geboren, wiederholt er, und habe keine Familie in Ferrara, keine Verbindung zu Christen, auch keinen Freund unter ihnen. Ich |159| kann kein Italienisch. Nazarener sah ich immer nur auf den Schiffen unter meinem Kommando, und sie sind in Scharen gekommen, um mich anzustarren, als ich im Hafen von Palermo in Ketten lag wie Samson. Aber ich kannte keinen von ihnen und habe mit niemandem gesprochen.
    Eine Anspielung, aber nicht besonders subtil: Wenn Ali dem gefangenen Samson gleicht, welche Rache wird er dann an den Philistern-Inquisitoren nehmen, wenn er seine Kräfte zurückgewonnen hat?
    Unterdessen breiten die Ermittlungen sich aus. Am 18. November schicken die Inquisitoren einen Gesandten zu den Bischöfen von Reggio und Ferrara. Er soll Informationen und Dokumente sammeln, vor allem muss geklärt werden, in welcher Diözese das Dorf Ariano liegt, aus dem Ali-Guicciardino stammen soll. Eine beglaubigte Kopie des Taufscheins wird benötigt, außerdem Zeugenaussagen von jedem, der ihn als Kind gekannt hat.
    Die Wartezeit ist eine schwere Belastung für den Angeklagten. Wenn Ali wirklich Guicciardino ist, weiß er, dass die Nachforschungen in seinem Geburtsort entscheidende Beweise erbringen können. Also bittet er um Beschleunigung des Verfahrens, bevor die Beweise erdrückend werden. Er verlangt eine Sitzung nach der anderen, und am 21. Januar verfasst er ein Protestschreiben: Seit nunmehr acht Monaten bin ich gefangen, mir scheint, das reicht, wenn ich gerichtet werden soll, dann tut es sofort. Am 10. April klagt er abermals: Ich lebe nun seit zehn Monaten unter der Erde, wenn die Inquisitoren gottesfürchtig sind, sollen sie mich richten. An einem anderen Tag bricht er in Tränen aus, mischt jedoch geschickt Drohungen und Erpressungen unter sein Weinen: Bei dem Gedanken an die gefangenen Christen, vor allem die Geistlichen, die dem Regenten von Tunis ausgeliefert sind, verspüre ich Mitleid und Schmerz. Er schätzt mich sehr, er weiß, dass ich in diesem Kerker schmachte und kennt meinen Kummer. Glaubt ihr etwa, was hier geschieht, hätte keine Konsequenzen für die Nazarener, die in Tunis eingekerkert sind? Sie werden nur darunter leiden …
    Warum, so entgegnen ihm die Inquisitoren, gesteht er dann nicht endlich seine christliche Herkunft und setzt den Repressalien, von denen er spricht, ein Ende? Er antwortet: Ich will meine Seele retten. Eure Exzellenz

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