Das Mysterium der Zeit
Inquisitor möge die seine retten.
|160| Derweil schleppen sich die Nachforschungen über Ariano mühsam voran. Der Gesandte aus Palermo hat zum Beispiel herausgefunden, dass das Dorf zwar zum Herzogtum Ferrara gehört, aber außerhalb der Grenzen seiner Diözese liegt, also zur Diözese Venedig gehört. Der Gesandte beschließt sogar, den Auftrag dem Heiligen Offizium in Rom zu übergeben. Doch am 28. März schreibt er endlich nach Palermo, dass der Inquisitor von Ferrara bereits auf dem Weg nach Ariano sei. Hier werden dann ohne größere Probleme die Zeugen gefunden, die Guicciardino, vielmehr Francesco Guicciardo, wie sein wirklicher Name lautet, gekannt haben.
Ariano ist ein Dorf, wo Kaufleute und Bauern leben, doch auch Matrosen, Bootsführer und Kapitäne. Zwei der in dem kleinen Ort aufgespürten Zeugen haben vor vielen Jahren mit Ali unter einem Dach geschlafen. Eine heißt Isabella, ist jetzt sechzig Jahre alt und die Schwester der Stiefmutter des Korsaren, Lucrezia. Der andere heißt Simone Superbo, achtundvierzig Jahre, und ist Cousin ersten Grades des Angeklagten. Die anderen Zeugen sind alle Einwohner von Ariano, außer einem Matrosen, der in Livorno ausfindig gemacht werden musste.
Francescos Elternhaus, erzählen sie, lag zwischen dem Fluss und der Piazza des Ortes, wo es eine Taverne und einen Laden gab. Dort wohnten Isabella und Simone mit Francesco Guicciardo, der damals ein kleiner Junge war, seinem Vater Battista, einem Fährmann, der Dienst auf dem Fluss Po tat, und der Stiefmutter Lucrezia. Der zukünftige Korsar war ein aufsässiges, streitlustiges, ja, außergewöhnlich wildes Kind. Der plötzliche Tod des Vaters hatte die Familie und sicher auch das Leben des Jungen erschüttert, der sich schon bald auf Schiffen als Lehrling verdingte.
Der Inquisitor von Ferrara findet auch die Frau des Kapitäns des ersten Schiffes, auf dem Francesco arbeitete, die sich gut an den unruhigen Jungen erinnert. Sein Cousin Simone wiederum berichtet, dass Francesco mit sechzehn Jahren, als er auf einem venezianischen Schiff Dienst tat, von einer türkischen Galeere aus Bizerta gefangen genommen wurde. Danach hatte Francesco-Ali durch Nicolò Prandinus, einen Kaufmann aus Ariano, der nach Livorno umgezogen war, Grüße an alle italienischen Verwandten ausrichten lassen. Denn dieser Prandinus hatte einen Verwandten, den berüchtigten Mami, ebenfalls aus Ferrara und Korsar in Tunis. Die Mutter dieses Mami |161| war mehrmals nach Tunis gereist, um ihren Sohn zu sehen, und dort hatte sie auch Francesco getroffen. Einmal hatte Simone sogar einen Brief seines Cousins erhalten, doch da er weder lesen noch schreiben konnte, hatte er ihn so lange bei sich getragen, um sich den Brief von Leuten vorlesen zu lassen, die er auf Reisen traf, dass das Papier zuletzt ganz zerfetzt und der Brief unleserlich geworden war.
Nach den Zeugenaussagen hatte Francesco bei einem seiner Raubzüge einen Onkel und einen Cousin entführt, eben jenen Giovanni, von dem die Inquisitoren schon wussten. Jetzt kommt die Nachricht aus Ariano, dass der Onkel freigekauft werden konnte, der arme Giovanni von Francesco-Ali aber gezwungen wurde, in Tunis zu bleiben, wo er, nachdem er den zahllosen Versuchen seines Cousins, ihn zur Konversion zu überreden, tapfer widerstanden hat, gestorben ist. Jedenfalls wissen alle Zeugen ganz genau, dass Francesco in Tunis zum Türken geworden ist, geheiratet hat und ein reicher Mann wurde.
Die Berichte der früheren Zeugen werden bestätigt und vervollständigt. Jetzt liegen sehr viel mehr und detailliertere Beweise vor, die schwer zu widerlegen sind. Auch die Geburtsurkunde wird gefunden, nach welcher der Angeklagte, da im Jahr 1584 geboren, zum Zeitpunkt der Arrestierung vierzig Jahre alt gewesen sein muss. Genau das Alter, das er vor dem Gericht von Palermo angegeben hat.
Gibt es noch Zweifel, dass der Korsar der wilde Sohn des Fährmanns aus Ariano ist? In Wahrheit haben alle Zeugen in Ariano Francesco-Ali seit seinem Übertritt zu den Barbaresken nicht mehr gesehen. Doch eine Zeugenaussage ist entscheidend, jene des Kapitäns Defendi Massarolo, jetzt in Sizilien ansässig, der ihn sowohl in seiner Jugend als auch bei seinen Taten als Korsar erlebte. Ein glaubwürdiger Zeuge obendrein, denn er hat keinen Grund zur Feindschaft gegenüber Ali, mit dem er sogar immer in freundschaftlicher Verbindung stand. All seine Aussagen werden überdies von denen der Einwohner von Ariano bestätigt.
Aber Ali gesteht
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