Das Mysterium der Zeit
Trapani und Pater Vincencio Juancarlo, hinzu. Die Ermittlungen sind mit einem großen Aufwand an Mitteln, Arbeitskraft und Geduld geführt worden. Dazu zwangen die schwerwiegenden Umstände des Falles.
Die Urteilsverkündung entspricht dieser Situation: Ali muss die Entscheidung bei einer öffentlichen Zeremonie zur Kenntnis nehmen. Dann wird er der bürgerlichen Justiz übergeben. Das Urteil: Tod auf dem Scheiterhaufen. Noch muss die Entscheidung allerdings von der Zentralbehörde der Inquisition in Madrid bestätigt und unterzeichnet werden. Eine Kopie wird nach Spanien geschickt.
Das Warten beginnt also erneut. Ein Jahr vergeht, dann folgt ein Schreiben, in dem der Höchste Allgemeine Rat der Inquisition darauf verweist, dass der Angeklagte nicht der Folter unterzogen wurde, wie |164| der Richter verlangt hatte, weil sie ihn vielleicht zu einem Geständnis hätte bringen können. Man solle darum zur Folter schreiten, danach werde der Rat den Fall erneut prüfen. Wenn der Angeklagte jedoch weiterhin leugne, solle man das Urteil nicht vollstrecken, sondern die Prozessakten nach Madrid schicken.
Drei Jahre nach seiner Gefangennahme wird Ali in die Folterkammer geführt. Doch der Wundarzt des Heiligen Offiziums bemerkt zwei Wunden auf Alis rechtem Arm. Nicht weniger als drei Ärzte werden hinzugezogen und bestätigen, dass er die Folter der Winde nicht überstehen wird, die einzige, die in sizilianischen Gerichten erlaubt ist. Man wird ihn also einer leichteren Qual unterziehen: An allen Gliedmaßen gefesselt, wird er an den Füßen aufgehängt und dann fallengelassen, freilich nicht aus großer Höhe. Die Folter wird fünfzehn Mal wiederholt, dann ordnet der Wundarzt einen Aufschub an. Am nächsten Tag geht es weiter, doch das Geständnis erfolgt nicht. Ali will lieber sterben als zu gestehen, dass er ein abtrünniger Christ ist. Zwischen den Folterungen ruft er Allah und Mohammed an, schreit, erklärt verzweifelt: Ich bin weder Kind von Türken noch von Christen, verbrennt mich doch, wenn ihr wollt!
Einen Monat später, am 18. Oktober, gibt es eine neue Abstimmung und Entscheidung: er wird zu Kerkerhaft in Ketten verurteilt. Doch ihm wird kein Urteil mitgeteilt, weder öffentlich noch im Gerichtssaal.
Ali-Francesco hat die Folter überstanden, was immer zugunsten des Angeklagten spricht. Die Inquisitoren meinen jedoch, dass die Beweise immer noch ausreichen, um ihn dem Henker zu übergeben. Madrid versucht, Zeit zu gewinnen und beschlagnahmt die Prozessakten für einen endgültigen Urteilsspruch. Den Kollegen in Palermo ist das nur recht: dieser Gefangene ist eine zu heikle Angelegenheit, niemand ist sich ganz sicher, dass er gerichtet werden soll, aber freilassen will ihn auch niemand. Die Zeit läuft langsamer, in der Sanduhr von Alis Leben wiegt jedes Körnchen nicht mehr Sekunden, sondern Wochen.
Ein Jahr später, am 14. Februar 1628, liegt Ali-Guicciardo immer noch in Ketten im Kerker von Palermo, dem undurchsichtigen politischen Kalkül seiner Richter und des Regenten von Tunis ausgeliefert. Der Prozess ist längst abgeschlossen, jetzt folgt der Kuhhandel.
Zunächst versuchen die Korsaren, ihn gegen eine Gruppe von achtzehn |165| spanischen Geistlichen auszutauschen, die auf einer Überfahrt nach Italien gefangen genommen wurden. Aber die Transaktion scheitert, unter anderem, weil man entdeckt, dass Ali aus unerfindlichen Gründen Briefe nach Tunis schicken durfte, in denen er die ihm angetanen Grausamkeiten maßlos übertrieb, um die Korsaren zu seiner Befreiung anzustacheln.
Wieder vergeht Zeit, der Gefangene verfault im Loch. Fünf Jahre später, 1633, will man ihn gegen neunundachtzig Gefangene austauschen, und die Sache scheint schon abgemacht, als die Inquisitoren den Obersten Rat der Inquisition davon informieren und dieser alles blockiert. Nur neun Geiseln werden aus Tunis nach Sizilien geschickt, Frauen und Kinder. Sie teilen die von Tunis gestellten Bedingungen mit: Ali muss befreit oder wenigstens auf eine Galeere an die frische Luft verlegt werden. Der Erzbischof von Palermo dagegen will Ali-Francesco unbedingt gegen einen sizilianischen Priester austauschen, der in Tunis festgehalten wird. Wieder lehnen die Inquisitoren ab: eine einzige Geisel für den berühmten Francesco Guicciardo ist zu wenig. Doch auch abgesehen von solchen Details möchte niemand dafür verantwortlich sein, dass dieser berüchtigte Abtrünnige und Christenschlächter wieder frei herumläuft. Er konnte nicht
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