Das Mysterium Des Himmels
befand er sich inmitten der Festlichkeiten der strahlenden Gottheit Lugh und des Herbstfestes. Amadas hörte das Wort Herbst so häufig, dass er jemanden nach der Bedeutung fragte. Als er genauer hinsah, da erkannte er die Frau vom Fluss, in deren Nachbarschaft die Pferde standen. Ihre Blicke trafen sich und sie lachte.
»Ernte«, sagte sie. Sie nickte ihm zu und verschwand in der tanzenden Masse.
»Mähen, pflücken und schneiden, auch die Zeit der Früchte, das bedeutet Herbst«, übersetzte er für sich. Jedenfalls verstand er ihre Sprache so.
Weise Frauen und Männer kamen durch das Tor des Tempels und sie trugen Hähne auf ihren ausgestreckten Armen. Der Hahn war das heilige Tier des leuchtenden Sonnengottes. Nun war Lugh bei ihnen. Die Menschen freuten sich, denn die Hähne symbolisierten Lebenslust und Fruchtbarkeit.
Was für ein sympathischer Gott, dachte Amadas. Er lief mit einer Gruppe Fischer den Berg hinab und hörte dabei, dass sie bereits seit vierzehn Tagen feierten und den Sonnengott Lugh noch einmal so lange begleiten werden, bis er die Große Erdmutter traf, deren Festtag noch einen weiteren Höhepunkt in ihrem Leben bildete. Danach bereiteten sie sich auf die kommende dunkle Zeit vor.
Amadas verbrachte die Nacht bei seinem Pferd. Laute Rufe weckten ihn und er trat vor den Stall, steckte seinen Kopf in das kühle Wasser des Flusses und lief hinter den Menschen her. Er stieg mit ihnen die kleine Anhöhe zu den Wäldern hinauf. Dort konnte er etwas Besonderes beobachten. Über dem Wald kreiste ein riesiger Adler, während ein zweiter in einem mächtigen Baum saß. Die Menschen jubilierten, denn die Adler bewiesen ihnen die Anwesenheit des Sonnengottes. Amadas hielt sich dezent im Hintergrund und beobachtete das Geschehen zwischen zwei Bäumen stehend. Da die Menschenmenge immer mehr anschwoll, zog er einen umgestürzten Baumstamm zu sich heran und stellte sich so darauf, dass er über alle Köpfe hinwegsehen konnte. Zwei der weisen Frauen und Männer erschienen und Ekuos war der Dritte im Bunde. Sofort teilte sich die Masse und ließ genug Raum. Die weise Frau ging auf einen Felsen zu, der aus dem Boden ragte, und legte eine bunte Decke über ihn. Der weise Mann folgte ihr nach, stellte einen Weidenkorb darauf und gemeinsam gingen sie zu Ekuos zurück. Amadas vermisste Talale die Seherin, aber dann fielen ihm die Worte Firnes wieder ein. Sie hatten den Festplatz bereits verlassen. Amadas schaute zum Weg hinüber, der zur Siedlung führte. Von dort kam eine junge Frau heran, an deren Seite sich zwei weise Frauen befanden. Sie trugen Stäbe, die mit einem goldenen Kreuz und Adlerköpfen verziert waren. Amadas sah gebannt auf die Prozession und erkannte, dass die junge Frau einen eingewickelten Säugling trug, den sie bei dem aufgestellten Weidenkorb an die wartende weise Frau übergab. Sie legte das Kind in den Korb und trat zurück. Auch alle anderen Menschen gingen bis an den Waldrand. Alle starrten nun auf den Korb und auf die Adler. Der mächtige Vogel am Himmel schwebte heran und schwang sich dann wieder weit hinauf, während der etwas kleinere Adler weiterhin im Baum saß. Je länger dieses Schauspiel dauerte, desto stiller wurde es. Amadas schaute auf den fliegenden Adler, der plötzlich seinen Flug unterbrach und wie ein rasender Pfeil vom Himmel herabstieß, sich knapp über dem Weidenkorb abfing und schnell wieder an Höhe gewann. Amadas rieb sich staunend die Augen. So etwas hatte er noch nie gesehen. Was daraufhin folgte, allerdings auch nicht. Der kleinere Adler löste sich aus dem Baum, schwebte langsam heran, griff sich den Säugling und flog mit ihm unter dem Jubel der Masse davon. Amadas hörte, was sie riefen. Der Sonnengott hatte ihre Gabe angenommen. Nun würde er dafür sorgen, dass der Adler den Säugling an eine weiße Hirschkuh übergab, die das Kind säugen und aufwachsen lassen wird. Die Menschen gratulierten der jungen Frau, die etwas verlegen in ihrer Mitte stand.
Amadas hörte die Sänger und er sah die Geschichtenerzähler, wie sie sich bereit machten, um die Menschen zu unterhalten. Man nahm ihn auf eine Art zur Kenntnis, die ihn verwunderte. Zunächst hatte er es gar nicht bemerkt, aber er spürte körperlich, wie ihn die Menge immer weiter zur Seite drängte, bis er an der Straße stand, die direkt zur Burg hinaufführte. Da verstand er, dass man ihn nicht einmal in der Nähe der Siedlungen haben wollte. Amadas vermutete, sie wollten während ihres Festes unter
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