Das Mysterium Des Himmels
sich bleiben und ohne die Blicke eines Fremden feiern.
Von der Höhe der Burgmauer sah er die Tänze und Spiele, die einen Hintergrund hatten, den er nicht kannte. Er erblickte außerdem eine lange Wagenkolonne, die zur Burg, die an der Grenze zu den Nordmenschen lag, unterwegs waren. Es waren sehr viele Menschen und sie alle trugen schwere Waffen. Sollte das bedeuten, man hatte mit schweren Kämpfen zu rechnen oder war das nur eine allgemeine Vorsichtsmaßnahme? Wen sollte er danach fragen? Es gab hier niemanden, der mit ihm sprach. Ekuos saß vor dem Tempel. Links von ihm hockte eine weise Frau und rechts von ihm ein weiser Mann. Hinter vorgehaltener Hand flüsterten sie ihm unaufhörlich in die Ohren. Amadas kannte die keltische Eigenheit der Weisen, sich das Wissen der Ahnen einzuprägen und nichts davon anderen zur Kenntnis zu geben. Nur jene, die den Weg der Weisen mitgehen durften, bekamen Einblick in diese Welt. Amadas blieb auf Distanz, damit man ihn nicht verdächtigen konnte. Er lief an den Mauern entlang und schaute über die Wälder. Er hatte nichts zu tun und das befriedigte ihn absolut nicht.
Ekuos veranlasste, dass Amadas in der gleichen Hütte unterkam, in der Matu lag. Noch immer fiel Matu das Laufen schwer und Amadas konnte ihn unterstützen. Während der Vorbereitungen zum Fest der Großen Mutter wollten die Leute keine Fremden. Also war der Unterschlupf bei Matu die beste Lösung für Amadas. Insgesamt war Ekuos mit sich unzufrieden. Die weisen Frauen und Männer hatten ihn darauf aufmerksam gemacht, dass seine Gedanken zu stark mit sich und den Seinen beschäftigt waren und nicht mit dem Göttlichen zwischen Himmel und Erde. Das hatte er zugeben müssen. Zu oft dachte er an die Rettung von Atles und den Freunden und ärgerte sich über den langen Aufenthalt durch die Situation mit Matu. Er hatte Besserung gelobt und die Feierlichkeiten zu Ehren der Großen Mutter waren die beste Gelegenheit, sich zu beweisen. In Gruppen kamen die Leute aus den Orten am Fuße der Burg zu Ekuos, um sich auf das kommende Ereignis einstimmen zu lassen. Viele von ihnen hatten sich in dieser Sommerzeit verändert. Sie waren ängstlicher geworden, weil es ihnen gut ging und sie viel zu verlieren hatten. Die tiefen Wälder mit den vielen Tieren darin, die wechselnden Lichter am Himmel und die Bedrohung durch die Nordmenschen machten ihnen genauso zu schaffen wie das tägliche Leben und die damit verbundenen Pflichten gegenüber den Göttern.
Die Sippenältesten blieben kurz hinter dem Eingang des Tempels stehen und schauten auf die drei weisen Frauen, die sich im mittleren Teil befanden. Ekuos konnten sie nicht sehen, aber sie hörten, was er sprach.
»Das Leben ist hier und der Tod ist hier. Kein Mensch, kein Tier, nichts kann sein auf diesem Boden, wäre sie nicht da, die Große Erdenmutter. Sie ist die Gebärerin und die Nährerin. Geburt, Tod und Wiedergeburt, das ist sie und wir verehren sie als unsere Große Mutter. Wenn wir gehen, sterben wir nicht, wir erscheinen wieder und mit uns wird auch sie immer sein. Solange die Götter uns leben lassen, wird die Große Erdenmutter von den Menschen verehrt werden. Wir sehen sie nicht, aber wir wissen, sie trägt das neugeborene Kind in ihren Armen, hält die Ähre des Korns in der anderen Hand und um ihren Kopf leuchtet der goldene Sonnenkranz, während die Mondsichel uns weissagt, das Leben wird bei uns bleiben. Die Frauen gehen in die Wälder und warten unter den heiligen Bäumen auf die Frucht in ihren Leibern. Die Männer hüten das Feuer und beugen ihre Häupter vor der Unsterblichen. So war es und so wird es immer sein.«
Nachdem Ekuos schwieg, erhoben sich die drei weisen Frauen und führten die Prozession an, die den Burgweg hinab zu den Häusern führte. Von dort liefen sie über die alte Straße zu jener, die neu angelegt war und bisher nicht benutzt werden durfte. Ekuos war auf die Mauer neben das nordwestliche Tor gestiegen und sah hinunter. Die weisen Frauen zogen die Sperren aus Bruchholz an die Seite und zogen ein Tuch von einem behauenen Stein, der direkt an der Kreuzung der alten mit der neuen Straße stand. Eine Eule war in den Stein gehauen worden und so beschützte die Große Mutter von nun an die Reisenden und zeigte ihnen den richtigen Weg. Keine Kreuzung im Land kam ohne den Schutz der Erdenmutter aus. Von der Kreuzung aus ging man hinüber zu der Wiese, auf der einige Milchkühe standen. Dort hatten seit Wochen die kräftigsten Männer ihren
Weitere Kostenlose Bücher