Das Mysterium Des Himmels
Dienst getan und einen Brunnenschacht gegraben, der so tief war, dass zehn Männer übereinander darin Platz finden würden. Zur unbändigen Freude aller Bewohner hatte ihnen die Muttergöttin Wasser gespendet, das so rein war, wie sie es bisher nicht gekannt hatten. Die drei weisen Frauen ließen einen Eimer in die Tiefe, zogen ihn wieder hoch und verteilten das kühle Nass in die Becher, die man ihnen hinhielt, nachdem sie selbst davon gekostet hatten. Ekuos nahm dieses Ereignis zufrieden zur Kenntnis und dachte, es kann kein Leben geben ohne die Große Mutter. Gleichzeitig aber entschied er sich, diese Nacht wieder an der Mauer zu bleiben und den Himmel zu beobachten.
Sie werden weiter auf Erden sein oder sie werden untergehen.
5. Die Tochter der Kij
Nach dem Ende der Feiern verließen die Gäste aus den umliegenden Dörfern und auch die Fuhrleute mit ihren schweren Wagen Menosgada.
Amadas hielt den Zustand von Matu für nicht geklärt, aber natürlich fragte ihn niemand nach seiner Meinung. Außerdem war er nicht sehr glücklich darüber gewesen, dass er acht Tage und Nächte lang das bescheidene Haus nicht verlassen durfte. Allerdings war ihm gleichwohl aufgefallen, dass dieses Fest wesentlich stiller verlief, als man zu Ehren des Sonnengottes gefeiert hatte.
Nun ritten sie mit einer Wagenkolonne, die an einer Kreuzung bereits den ganzen Tag wartete, und Amadas wusste keinen Grund für diesen Aufenthalt. Die kleine Statue am Wegesrand war mit einer Girlande geschmückt worden und Amadas erkannte auf dem Stein die Symbole der Großen Mutter. Während Matu, an einen Baum gelehnt, im Gras saß, die anderen Reisenden auf den Wagen lagen, blieb Ekuos überwiegend auf seinem Pferd sitzen. Nur auf dem Weg zur Tränke lief er neben dem Pferd, verschwand mehrmals kurz im Wald und blickte ansonsten starr nach Westen.
Lange schon bevor man sie sehen konnte, verkündeten Trompeten von den Fahrzeugen ihre Ankunft. Das war ein gewaltiger Wagenzug, der vom Ufer des Flusses herankam. An seiner Spitze konnte man einen Reiter erkennen, dessen heller Umhang im Gegenwind wehte. Als er näherkam, sah man seine Waffen. Ein langes Schwert zur Rechten und eine Lanze zur Linken des Pferdes, das höher gewachsen war als die anderen Tiere. Als sich der erste Reiter näherte, war es nicht zu übersehen, dass es eine junge Frau war. Sie trug einen silbernen Reifen um die Stirn und ein leichtes Tuch lag auf ihren Haaren, die weit über die Schultern hingen. Ihr Körper war mit derber männlicher Kleidung kostümiert und an ihren Unterarmen konnte man lederne Manschetten erkennen. Hinter ihr ritten drei weitere junge Frauen, die ähnlich wie ihre Anführerin gekleidet waren. Ihnen folgte ein zweirädriger Wagen, in dem eine schmächtige Frau stand, mit einer Haut bleich wie der Mond an einem Nebelmorgen. Es folgte Wagen um Wagen. Das Ende bildete ein Trupp bewaffneter Männer. Es gab auch Verwundete, die verteilt auf mehreren Wagen saßen oder lagen.
Amadas war verwirrt angesichts dieser endlos scheinenden Kolonne. Deshalb schaute er fragend zu Ekuos hinüber, aber der war wie gebannt durch den Anblick der jungen Frau auf dem Pferd. Sie war anmutig und gleichzeitig stark, mit hellen Augen und kräftigen Lippen. Ekuos starrte sie wie von einem Zauber erfüllt an, während sie ihren Kopf auf die Brust absenkte, um ihren Respekt ihm gegenüber zu bezeugen. Nun hätte Amadas durch ein Geräusch Ekuos vielleicht aufrütteln können, doch er selbst war gefangen von der anderen jungen Frau in dem zweirädrigen Wagen. Ihr schmales Antlitz war lieblich und edel, aus dunklen Augen schaute sie erhaben in die Welt und ihr fließendes Gewand wies sie als weise Frau aus. Trotz ihrer Jugend schien sie diese Ausnahmestellung zu besitzen, denn die Menschen ihrer Umgebung hielten ehrerbietigen Abstand zu ihr. Amadas war tief berührt von ihr und so ging es ihm nicht anders als Ekuos, dessen Blick noch immer auf die bewaffnete junge Frau gerichtet war. Ein buckliger Zwerg veränderte die Erstarrtheit, denn er warf sich vor Ekuos auf den Weg.
»Wir wagen es, einige Worte an dich zu richten. Vom Tempel des Aqua Grannus kommen wir und zogen den Fluss hinab bis hierher. Feinde stellten sich uns in den Weg, deshalb verzögerte sich unsere Ankunft. Meine Herrin bittet dich deshalb um Verzeihung. Wir sind tief geehrt, dass uns erlaubt ist, dir auf dem Weg zum großen Fluss Danau zu folgen. Meine Herrin, die Tochter der Kij, und ihre Schwester, die weiße Frau
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