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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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holte er den Bärtigen nach
     vorn und sagte: »Klopft auf Eure Weise an.«
    |382| Der Bärtige zog sein Schwert aus der Scheide. Die Klinge war geölt, ohne Geräusch fuhr sie heraus. Er umgriff die Schneide
     unterhalb der Parierstange. Daß er sich nicht schnitt! Die Handschuhe mußten von dickem Leder sein. Er holte aus und schlug
     Schwertknauf und Parierstange gegen die Tür. Seine Schläge krachten auf das Holz, als wollten sie es zerbrechen. »Im Namen
     des Kaisers«, rief er, »öffnet!« Er trat beiseite und nickte William zu.
    Eine Weile geschah nichts, dann wurde die Tür von innen entriegelt und schwang auf. Ein Knecht sah sie an und schlug die Hand
     auf den Mund. Sein Blick blieb an den schwarzen, flügelbreitenden Adlern auf den gelben Waffenröcken der Wachen hängen. Kaiserwachen
     verhießen nichts Gutes.
    »Zu Amiel von Ax«, sagte William.
    Der Knecht schluckte. Er sah nun den Engländer an. »Er ist nicht da, Herr.«
    William schob ihn beiseite und trat ein. »Das werden wir sehen. Durchsucht das Haus! Nemo, du kommst mit mir. Zeige mir den
     Keller.«
    Sie durchquerten den Empfangsraum. Im Flur brannten Kerzen in den Wandnischen. Nemo nahm eine von ihnen und stieg die Treppe
     hinab. William folgte ihm. Sie traten vor die Kellertür. Nemo stutzte. Sie war nur angelehnt, und im Schloß steckte der Schlüssel.
     Er schob die Tür auf. Der Keller war dunkel. Kühle, feuchte Luft schlug ihm entgegen. Es roch nach nassem Stein und Holzfäule.
     William trat neben ihn. »Adeline?« rief er.
    Das Kellergewölbe antwortete mit leisem Hall. Dann Stille.
    Nemo setzte Schritte ins Dunkel. Er ging an der rechten Wand entlang, leuchtete zwischen die Fässer, lauschte. Die Kerzenflamme
     warf ihr zitterndes, schwaches Licht. Er hörte Williams Sohlen auf dem Steinstaub knirschen. William schritt mit einem zweiten
     Licht das Kellergewölbe von der anderen Seite her ab.
    Zwischen zwei Fässern sah Nemo ein Stück Stoff auf dem Boden liegen. Er beugte sich hinunter. Es war blau, wie Adelines |383| Kleid. Er hob den Stoffstreifen auf. Er war weich und etwa eine Elle lang. In der Mitte war er zusammengeknotet, als habe
     er aus zwei Teilen bestanden, an den Enden aber war er ausgefranst, wie zerrieben. War das ein Zeichen? Hatte sie ihm ein
     Zeichen hinterlassen?
    »Hier ist eine Wolldecke«, sagte William.
    Nemo nickte. Er steckte den Stoffstreifen in die Ledertasche an seinem Gürtel und ging weiter. Sein Gefühl sagte ihm, daß
     sie hier waren. Verbargen sie sich zwischen zwei Fässern? Amiel konnte jeden Augenblick hervorschießen und ihm den Dolch in
     den Bauch rammen.
    Er sah um das nächste Faß herum. Ein Fellbündel mit vier bleichen Pfoten lag dort. Das Maul war geöffnet und entblößte kleine
     scharfe Zähne. Von der Ratte zur Wand hin verlief eine schwarze, lautlose Ameisenstraße.
    »Hier ist niemand.« William blieb neben ihm stehen. »Sie sind fort.«
    »Nein. Sie sind hier. Im Haus.« Nemo ging rasch zur Tür. Die Öffnung war niedrig, er mußte sich bücken, um hinauszutreten.
     Eilig erklomm er die Treppe. Im Flur betrat er den schmalen Durchgang, der zur Hintertür führte. Er folgte dem Gang, bog vor
     der Vorratskammer um die Ecke – und prallte mit einem der Wächter zusammen. Die Kerze fiel ihm aus der Hand. Sie rollte über
     den Boden und verlosch.
    »Ihr seid es«, sagte der Wächter. Er hielt schützend die Hand vor die eigene Kerze. Die Flamme warf einen hellen Schein auf
     den Waffenrock. Der gelbe Stoff umleuchtete das stumpfe Schwarz des Adlers.
    »Wie lange steht Ihr schon hier?« fragte Nemo.
    »Ich bin gleich hergegangen. Ich kenne diese Art von Ritterhaus. Sie haben immer einen Ausgang, durch den die Bediensteten
     Müllkübel hinaustragen können und Wasser hereinschaffen. Hier raus wäre man geflohen.«
    »Ihr habt niemanden gesehen?«
    »Niemanden. Die Tür war zu, als ich kam. Ich habe gleich auf den Hof geschaut. Da war keiner.«
    |384| Nemo bückte sich nach seiner Kerze und zündete sie an der Kerze an, die der Wächter in der Hand hielt. »Habt acht. Ich habe
     das Gefühl, sie sind noch hier.«
    Er ging zurück zum Flur. Als er an der Treppe war, hörte er den Bärtigen in einiger Entfernung sagen: »William, kommt hierher,
     ich habe etwas gefunden!«
    Nemo beeilte sich, der Stimme zu folgen. Da sah er schon den Bärtigen am Ende des Flurs stehen, im Türrahmen von Amiels Zimmer.
     Er hielt das rote Buch in den Händen. William ging an Nemo vorüber und nahm es

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