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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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halb um und deutete auf die Schäfte der Harpunen.
    »Meervolk!« Gerrek schüttelte sich. Allein der Gedanke an Menschen, die im Wasser lebten, erregte seinen Abscheu. »Sicher waren es nur diese Fischer, die uns mit den Harpunen zu befreien versuchten, ganz harmlose Leute.«
    »Und warum zeigen sich uns diese harmlosen Leute nicht, du Schlauberger?« fragte Scida.
    »Es müssen die Verfemten sein«, sagte Kalisse. »Die Ausgestoßenen, die hier im Nassen Grab ausgesetzt wurden. Wir sollten uns vor ihnen in acht nehmen.« Sie drehte sich zu Gerrek um und blickte ihn von oben bis unten an. »Es heißt auch, daß sie ihrer Göttin Anemona Menschen opfern. Aber sicher nimmt Anemona auch Beuteldrachen an!«
    »Sei still!« kreischte Gerrek. »Sie würden damit eine ganze Art ausrotten!«
    »Wie schrecklich«, kam es von Scida.
    Mythor legte die Hände an den Mund und rief nach den Fischern. Sie mußten ihn hören, doch keiner drehte sich zu ihm um. Schweigend bewegten sie ihre Ruder.
    »Es sieht so aus, als betrachten sie uns als Gefangene«, sagte Kalisse grimmig.
    »Wenn sie Fischer von den Inseln sind, stammen die Harpunen nicht von ihnen«, überlegte Mythor laut. »Wir befanden uns mit dem Bruchstück noch tief unter der Oberfläche, als die Harpunen hineingestoßen wurden. Kalisse, berichte noch einmal alles, was du über dieses Gewässer weißt – über das Nasse Grab.«
    »Dann glaubst du es also auch!« entfuhr es Scida. »Du glaubst auch, daß wir ins Nasse Grab getrieben wurden?«
    Er nickte nur. Kalisse begann, von den alten Legenden zu erzählen, die sich um dieses Gebiet rankten. Sie wußte in etwa das gleiche zu berichten wie Sosona den Amazonen.
    Natürlich konnten die Gefährten nicht wissen, daß die Sturmbrecher in der vorangegangenen Nacht die Insel Mnora-Lör angelaufen hatte, und vor ihr vor Anker gegangen war. Auch ohne dieses Wissen ahnte der Sohn des Kometen, daß sie, kaum daß sie auf so seltsame Weise gerettet worden waren, bereits wieder in ein gefährliches und vor allem zeitraubendes Abenteuer hineingezogen wurden.
    Dabei befand er sich in einem verzweifelten Wettlauf mit der Zeit. Wenn nicht ohnehin schon alles zu spät war, mußte er weiter nach Süden, zum Hexenstern, um alles zu tun, die Zaem an ihrem unseligen Vorhaben zu hindern, falls sie nicht die sechste Zaubermutter gewesen war.
    Es durfte nicht sein!
    Mythor besaß kein Boot, kein Schiff, keinen Ballon – nichts, mit dem er sich Hoffnungen darauf machen durfte, schnell weiter südwärts zu kommen.
    Vielleicht waren diese Verfemten dazu zu bewegen, ihnen zu helfen. Mythor sah jedenfalls im Moment keine andere Möglichkeit.
    »Was sollen wir also tun?« rief Scida, nachdem Kalisse geendet und noch einmal die Gefahren heraufbeschworen hatte, die von diesen Gewässern und den Bewohnern der Inseln ausgehen sollten.
    »Sie bringen uns an Land«, sagte Kalisse. »Entweder auf Nida oder auf eine andere Insel. Wir sollten uns bereithalten und losschlagen, sobald sie sich dann an uns heranwagen. Wir haben nicht mehr viel, aber wir haben unsere Waffen und die Kraft unserer Arme.«
    »Honga?« fragte Gerrek.
    Für einen Augenblick war Mythor abgelenkt worden. Seine Einbildungskraft mußte ihm Streiche spielen. Er starrte auf die Stelle einen Steinwurf neben dem Pflanzenstück, an der er soeben etwas in den Fluten zu sehen geglaubt hatte. Einen Kopf, wie er keinem Menschen gehörte.
    So sehr er seine Augen auch anstrengte, er sah nichts mehr außer den sich leicht kräuselnden, ruhig auf und ab schaukelnden Wellen.
    »Nein«, sagte er entschieden. »Wir warten ab.«
    »Aber sie werden uns…!«
    »Immerhin haben sie uns gerettet«, wehrte er Kalisses Einwand ab. Dabei ließ er offen, wen er damit meinte.
    »Und sie bringen uns vom Wasser fort«, fügte Gerrek schnell hinzu. »Ihr Götter, warum habt ihr eine Welt mit so schrecklich viel Wasser erschaffen!«
    »Was willst du sonst trinken?«
    »Wein tut’s auch«, brummte der Mandaler.
    »Ja«, versetzte Scida. »Und Pilze.«
    Der Seitenhieb saß. Beleidigt schwieg Gerrek.
    Die unheilvolle Stille umfing die vier. Stoß um Stoß ruderten die Unheimlichen auf die Insel zu, schweigend, als wäre kein Leben in ihnen.
    Ein eigenartiger Geruch stieg Mythor in die Nase. Es war nicht nur die Seeluft und der Geruch von Tang.
    Es stank nach verfaultem Fisch – und nach etwas anderem, nicht bestimmbaren…
*
    Mythor war auf einiges vorbereitet gewesen – auf düstere, verschlossene Gestalten,

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