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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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wüteten unter den Angreifern, und das Gläserne Schwert sang und klagte.
    Ein schrecklicher Laut übertönte selbst das Gebrüll der Rasenden und ließ sie in der Bewegung verhalten, als wären sie selbst zu Stein geworden.
    Es war ein Laut, der das Blut in den Adern gerinnen ließ. Es war ein Kreischen aus vielen nichtmenschlichen Kehlen, ein Geheul wie von tausend Dämonen – und es kam direkt aus der Statue der Anemona.
    Und als hätte eine hungrige Dämonenbrut alle Mächte der Finsternis heraufbeschworen, brach urplötzlich das Verderben über die Menschen herein. Wie von der weichenden Nacht ausgespien, war plötzlich ein Schwarm riesiger Entersegler in der Luft. Gewaltige, nachtschwarze Schatten verdunkelten den geröteten Himmel und stießen auf die vor Entsetzen Erstarrten herab, wie von einer unheimlichen Macht gerufen und gelenkt.
    »Das haben wir nun davon!« schrie Kalisse.
    Und es schien keine Rettung von den Kreaturen der Finsternis zu geben.

6.
    Sie fanden Artiki bei den Ballonen.
    Sie hatten die Ausgestoßene, die sie zu den Klippen geführt hatte, im allgemeinen Wirrwarr völlig vergessen und sich ihrer erst wieder erinnert, als sie die Felsen schon weit hinter sich gelassen hatten.
    Nun sahen sie sie bei jenen drei Amazonen, die die Ballone zu bewachen hatten. Artiki zitterte. Sie starrte die Kriegerinnen und Sosona aus weit aufgerissenen Augen und mit offenem Mund an.
    »Wo bist du gewesen?« fragte Gorma scharf. »Du hättest uns in die Irre laufen lassen! Du…«
    »Ich konnte es nicht länger mit ansehen!« schrie die Verfemte. »Was habt ihr getan? Warnte ich euch nicht? Wißt ihr denn, was ihr heraufbeschworen habt?«
    »Schweig!« herrschte Gudun sie an. »Nicht wir beschwören die Meermenschen und ihre Göttin! Nicht wir schleppten unsere Gefährtinnen zum Wasser und übergaben sie der Tiefe! Deine Freunde…«
    »Es sind nicht meine Freunde!« begehrte Artiki auf. »Das wißt ihr sehr gut! Ich warnte euch, aber ihr wolltet nicht hören! Was geschehen ist, ist eure Schuld!« Sie blickte Gudun und Gorma an, dann Sosona. »Wasist geschehen?«
    Sie sagten es ihr und den drei Amazonen.
    Artiki senkte den Kopf.
    »Dann sind wir alle in noch größerer Gefahr, als ich annahm«, flüsterte sie erschüttert. »Oh, was habt ihr getan!« Sie machte einen Schritt auf Sosona zu und rief flehend: »Eure Gefährtinnen werdet ihr niemals wiedersehen! Laßt uns von hier fliehen, bevor wir alle das gleiche Schicksal erleiden! Ihr kennt die Anemona und ihre Gier nicht! Ihr wißt nicht, was diese Göttin aus den Bewohnern der Insel gemacht hat!«
    »Fliehen!«
    Gudun lachte rauh.
    »Wir werden etwas ganz anderes tun!« sagte Gorma grimmig. »Wir statten der Stadt einen zweiten Besuch ab, und wahrlich, diesmal werden die Verdammtem nicht mehr ungeschoren davonkommen! Sie werden uns sagen müssen, was mit Telmi und Sinaka geschah – und mit Zaem und Burra!« Sie winkte den Kriegerinnen. »Kommt! Laßt uns keine Zeit mehr verlieren!«
    Im Osten dämmerte der Morgen herauf. Ein blaßroter Streifen einsetzender Helligkeit spannte sich dort über den Horizont.
    »Nein!« rief Artiki aus. »Geht nicht! Ihr werdet kein Wort von ihnen hören! Laßt uns aus dem Nassen Grab fliehen, solange noch Zeit dazu ist! Niemand entkam je von hier, aber niemand hatte auch ein solches Schiff wie das eure. Wir können es vielleicht noch schaffen! Wir…«
    »Ich kann dein Gewäsch nicht mehr hören«, sagte Gudun, angewidert davon, daß eine ehemalige Amazone sich zu solchen Gefühlsäußerungen hinreißen ließ. »Niemand zwingt dich, mit uns zugehen.«
    Sie winkte den Kriegerinnen. Der Trupp setzte sich in Bewegung. Wieder blieben drei Amazonen bei den Ballonen zurück.
    Artiki ließ sich zu Boden sinken. In ohnmächtiger Wut schlug sie mit beiden Fäusten auf die weiche Erde.
    »Wartet!« schrie sie dann, als der Trupp schon über die nächste kleine Kuppe war. »Wartet auf mich!«
    Sie sprang auf und lief ihnen nach, holte sie ein und marschierte mit hängendem Kopf am hinteren Ende des Zuges mit.
    Als sie Loma vor sich liegend sahen, war es bereits hell. Keine Feuer brannten mehr auf den Plätzen zwischen den Hütten und Häusern. Der breite, schwarze Strand war menschenleer. Es war noch Ebbe. Nur drei Boote lagen, mit dem Kiel nach oben, zwischen den Netzen auf Holzböcken.
    »Wir kreisen die Verfemten ein«, entschied Gudun. »Wahrscheinlich haben sich die meisten irgendwo auf der Insel versteckt, oder sie haben sie ganz

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