Das Nazaret-Projekt
Aufbruch der Kreuzzug-Karawane gerichtet. Nathan Brock hatte sich aus Sicherheitsgründen für eine Seereise stark gemacht, aber ›J.C.‹ wollte keinerlei Zeit mehr verschwenden und verlangte, auf schnellstmöglichem Weg nach Jerusalem geleitet zu werden. Dieser Wunsch brachte natürlich einige logistische Probleme mit sich, weil die Karawane auf normalen Reisewegen per Flugzeug zwangsläufig in mehrere kleine, getrennt reisende Gruppen aufgeteilt werden müsste. Brock veranlasste deshalb die Charter eines Airbusses für einen Nonstopflug von Stockholm nach Malta, wo die ›Rosebud‹ mit Käpt‘n Monk und der kompletten Mannschaft im Hafen von La Valetta noch immer vor Anker lag. Von dort aus würde man dann mit dieser schnellen Hochseeyacht über Zypern die israelische Hafenstadt Haifa oder Tel Aviv anlaufen und von dort aus ganz offiziell als christliche Pilgergruppe den Weg nach Jerusalem einschlagen. Was dort in Jerusalem dann allerdings des Weiteren geschehen sollte, war nicht nur Nathan Brock absolut unklar, der natürlich den sicheren Rückhalt und die Ressourcen seines Einflussgebietes nur ungern hinter sich ließ. Im Krisengebiet des nahen Ostens würde seine stolze Ritterschar sofort zu einem verlorenen Häufchen von auffälligen Fremdlingen werden, dessen Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt wäre und das leicht zum Ziel eines Angriffs islamistischer oder vielleicht sogar jüdischer Fundamentalisten werden könnte, die ihm und den Kreuzfahrern ohnehin schon viel zu schnell auf die Spur gekommen waren und theoretisch bereits hinter jeder Ecke auf sie lauern konnten. Gleichzeitig war er sich seit dem Menetekel im Rittersaal aber bewusst, dass ihn sein eindeutig unvollkommenes Vertrauen in die göttliche Weisheit und Allmacht noch weitaus schneller in tödliche Gefahr bringen könnte, wenn er solchen ketzerischen Gedanken und Gefühlen weiterhin freien Lauf lassen würde. Anscheinend besaß der Hinweis in der Genesis auf den zu seiner geistigen Entwicklung gelegentlich notwendigen Ungehorsam des Individuums in ihrer Neufassung keine Gültigkeit mehr.
Telly Suntide verbrachte einen großen Teil seiner mehr als reichlich bemessenen Freizeit in der Gesellschaft des Hieronymus Meyrink, der seinerseits jede Stunde nutzte, um so intensiv wie möglich mit seinem neuen Schüler zu arbeiten. Die außergewöhnlichen Umstände und Geschehnisse auf ›Nazaret‹ hatten die fundamentalen Prägungen und kristallisierten geistigen Konzepte des Predigers in wesentlich kürzerer Zeit tiefgreifend erschüttert und teilweise sogar zerstört, als dies allein durch die zeitraubenden Bemühungen und trickreichen Kunstgriffe eines spirituellen Lehrers möglich gewesen wäre. Hieronymus sah sich deshalb in der erfreulichen Lage, das sogenannte ›objektive Wissen‹ von Beginn an auf einer wesentlich höheren Ebene und in teilweise komprimierter Form vermitteln zu können, die mit intellektuellem Verständnis nichts mehr gemeinsam hatte. Telly erhielt fortan den größten Anteil seiner Lektionen direkt in der Sprache des Herzens und er lernte, mit dem Herzen zu hören und darin mehr und mehr Platz zu schaffen für die eine und einzige Wahrheit, der letztlich alles Wissen entsprang.
Da eine der unabdingbaren Voraussetzungen für diese Art des Verstehens in der Nichtidentifikation bestand, also der Aufhebung des falschen Bewusstseins von Dualität, war auch die Gefahr relativ gering, im Kontrollnetz grober Psychoraster des Telepathen auffällig zu werden.
Schneller als erwartet stellte sich dann zur Erleichterung der beiden heimlichen Renegaten heraus, dass sie weder von Nathan noch vom Telepathen als begleitende Apostel vorgesehen waren. Reverend Suntide erhielt stattdessen den ehrenvollen Auftrag, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren, um dort die Ankunft des Herrn in dieser Welt zu verkünden und die Menschen auf sein neues Königreich vorzubereiten. Hieronymus Meyrink, dessen Hilfe für Brock nun obsolet geworden war, würde reisen können wohin er wollte, sobald der Tross der Kreuzfahrer mit dem Jesuskind die Gestade des heiligen Landes erreicht und den Tempelberg in Jerusalem betreten hätte. Dieser zeitliche Vorbehalt galt natürlich auch für den Prediger Suntide.
Über die strikte Wahrung dieser Wartefrist würde ein Teil von Jablonskis bewährter Söldnertruppe wachen, der zum Schutz der zurückbleibenden Betriebsmannschaft der Insel, des Fernsehstudios und der Nonnen auf ›Nazaret‹ abgestellt würde.
In
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