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Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Berg
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blieb ich. Dann beschloss ich, mich zum Nebelhaus durchzukämpfen. Mutter … Ich habe sie tot aufgefunden. Und du hast sie umgebracht.«
    »Bist du verrückt, Sohn?«, rief Herr Nan. »Dass ich und deine Mutter nicht nach dem Mädchen gesucht haben, heißt doch nicht, dass ich sie umgebracht habe.«
    »Warum sonst hast du uns gerade angelogen?«
    »Das wäre auch meine Frage gewesen«, sagte ich. »Wenn Sie nichts zu verbergen hätten, hätten Sie mir nicht das Märchen vom vergessenen Handy erzählt.«
    »Ich … ich … Gut, ich gebe es zu, ich habe meiner Frau gedroht, habe mich vergessen, bin hinter ihr her … Ich wollte sie aufhalten, aber doch nicht … umbringen. Sie hat nicht auf mich gehört. Da hat ein Ast sie getroffen.«
    »Ich habe genug gehört«, sagte Yim.
    »Der Ast ist von einem Baum abgeknickt«, schrie Herr Nan. »Ich habe deine Mutter nicht erschlagen. Das könnte ich gar nicht. Ich habe sie doch … geliebt.«
    Yim machte einen Ausfall nach vorne und hielt seinem Vater das Messer an die Kehle. »Nimm dieses Wort nie wieder in den Mund. Sag endlich die Wahrheit.«
    Ich versuchte, Yim zu beschwichtigen, hatte ehrlich Sorge, dass er seinen Vater vor Wut erstechen würde. Zum Glück ließ Herrn Nans Geständnis nicht lange auf sich warten.
    »Bitte, tu mir nichts. Ich habe sie geschlagen. Ja, ich habe mit einem Ast auf sie eingeprügelt. Aber es war ein dünner Ast. Ganz dünn. Ich verstehe nicht, wie …«
    Yim schleuderte das Messer zu Boden. Sein Oberkörper wölbte sich über die Tischplatte, den Kopf verbarg er zwischen den Armen, und er schluchzte. Ich streichelte ihn. Seine Verzweiflung tat mir so weh, als wäre es meine eigene.
    Auch Herr Nan weinte, jedoch in starrer Haltung. »Sie ist trotzdem nicht durch meine Hände gestorben«, beharrte er. »Sie ist erschossen worden. Ich war es nicht. Ich schwöre, dass ich nicht der Schütze war.«
    »Das sollen die Behörden klären«, erwiderte ich. »Ich werde die neuen Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft zukommen lassen. Dazu gehört selbstverständlich auch Ihre Vergangenheit, Herr Nan. Sie haben behauptet, ein anderer Mensch geworden zu sein. Vielleicht glauben Sie das sogar. Ich muss Ihnen leider sagen, dass Sie sich irren. Ganz egal ob Sie der Schütze sind oder nicht, Sie sind noch immer derselbe, der Sie damals waren. Komm, Yim, wir gehen.«
    Yim hatte sich wieder aufgerichtet. Die Verachtung, mit der er seinen Vater bedachte, stimmte mich zuversichtlich, dass er mit meiner Entscheidung einverstanden sein würde, auch wenn sie seine berufliche Existenz gefährdete. Er hatte seine Mutter geliebt, wenngleich er ihr nie wirklich nahegekommen war. Dass sein Vater auf sie eingeschlagen hatte, würde er ihm nie verzeihen.
    »Warten Sie«, sagte Herr Nan mit resignierter Stimme. »Da Ihr Entschluss feststeht und Yim sich endgültig von mir abgewandt hat, ist nun sowieso alles egal. Ich werde Ihnen erzählen, was vor zwei Jahren passiert ist.«

32
    September 2010
    Leonie kam ohne anzuklopfen in Timos Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Erst dann sah er die Waffe.
    »So, Timo«, sagte sie.
    Noch vor wenigen Tagen hätte ihn der Anblick nicht weiter beunruhigt – er hätte eben einfach Leonie mit einer Waffe gesehen, mehr nicht. Erst die Assoziation, die Verknüpfung zweier Bilder ließ ihn die Gefahr erkennen. Ihr Blick, zusammengenommen mit der Pistole, machte ihm jäh bewusst, dass er sich in einer unberechenbaren Situation befand, die, einem Pendel gleich, in jede Richtung ausschlagen konnte. Das Chaosprinzip in Vollendung, ein Lotteriespiel.
    »Leonie«, sagte er, den Blick auf die Mündung gerichtet. »Hallo.«
    Er fand es bescheuert, dem Tod Hallo zu sagen, aber von diesem Moment an war er in einer Ausnahmesituation, gleichsam in einer Rolle, die er aus dem Stegreif zu spielen hatte. Eine Million Dinge gingen ihm gleichzeitig durch den Kopf, Banales wie Großartiges, von Feigheit bis zu Heldentum reichende Gedanken. Er hielt es zum ersten Mal in seinem Leben für möglich, in der nächsten Sekunde zu sterben. Er war mit sich selbst konfrontiert, mit seiner Angst, seinem Ehrgeiz und dem Gefühl der Unzulänglichkeit, dass er in seinem Leben noch nicht viel erreicht hatte. Das erwartete man doch von jedem – etwas zu erreichen, zu heiraten, Kinder zu haben, einen guten Job zu machen, aufzusteigen, Eigentum anzuhäufen, so viele Facebook-Freunde wie möglich zu sammeln … Daumen hoch, gefällt mir – nur darum ging es. Der Daumen für

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