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Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Berg
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werfen? Wir haben es nie gemacht. Aber wenn, dann hätte sie gekotzt wie ein Reiher. Wenn ihr schon von einer Autofahrt übel wird … Und die Überfahrt hat sie auch nicht vertragen.«
    »Du magst sie nicht«, stellte er fest.
    Sie rang um Worte. »Na ja, sie ist nicht gerade … Ihre Ausdrucksweise ist stark gewöhnungsbedürftig, sie sieht unmöglich aus und … Irgendwie wirkt sie beschränkt.«
    »Du und ich, wir wissen beide, dass sie nicht beschränkt ist. Das war sie noch nie. Im Gegenteil, sie ist hochintelligent. Ich finde übrigens, dass sie gar nicht übel aussieht. Sie hat schöne Augen, eine gute Figur … Die Klamotten sind nun einmal ihr Stil, was soll’s? Und was ihre Ausdrucksweise angeht – sie redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, das war schon immer so.«
    »Wenn du meinst.«
    »Irgendwie finde ich es gut, dass sie sich kaum verändert hat. Ich meine, sieh uns an, wir anderen sind alle nicht mehr die, die wir vor fünfzehn Jahren waren. Ich wette, Yasmin wird noch zur Party ihres siebzigsten Geburtstags so aussehen, wie sie heute aussieht oder vor fünfzehn Jahren ausgesehen hat, und sie wird über eine Torte mit siebzig rauchenden Joints hinwegpusten.«
    Leonie lachte aus voller Brust und sah ihn mit strahlenden Augen an.
    »Hast du eigentlich eine feste Freundin?«, fragte sie.
    Die Frage machte ihn verlegen. »Nein«, sagte er und kritzelte mit den Füßen im Sand. »Ich gehe nicht oft genug aus, um eine Frau zu finden, und da mein Arbeitsplatz meine Wohnung ist, kann ich auch niemanden im Büro kennenlernen. Ich begegne immer nur den Freundinnen von Freunden, und die sind für mich tabu.«
    »Leuchtet ein. Wieso gehst du nicht oft aus?«
    »Zum einen schreibe ich am liebsten abends und nachts. Wenn nicht, muss ich etwas verdienen und jobbe im Kino. Ich komme gerade so über die Runden. Demzufolge werde ich erst dann Verehrerinnen haben, wenn ich berühmt bin, möglicherweise erst mit fünfundsiebzig oder nach meinem Tod. Zu sterben ist für einen Künstler ein echter Karriereschub.«
    Leonie lachte.
    »Wie sieht es bei dir aus?«, fragte Timo. »Hast du einen Freund?«
    Sie griff sich an die Stirn. »Oh Gott, ich habe ganz vergessen, Steffen noch einmal anzurufen. Entschuldige, Timo, wir reden gleich weiter.«
    Leonie holte ihr Handy aus der Handtasche, stand auf und ging ein paar Schritte über den Strand. Sie bekam Empfang und ein Freizeichen, während sie mit den Fingern nervös auf ihrem Bauch trommelte, aber erwischte erneut bloß den Anrufbeantworter.
    »So ein Pech«, diktierte sie dem Band. »Nun erreiche ich dich leider wieder nicht. Ich bin gerade am Strand auf Hiddensee. Wir haben prima Wetter, so wie ich es mag, nicht zu heiß und ein bisschen windig. Yasmin ist hier bei mir – und Philipp mit seiner Tochter. Mir geht’s gut, mach dir keine Sorgen. Ich versuch’s heute Abend noch einmal. Kuss.«
    Timo hatte sie absichtlich nicht erwähnt, warum genau, war ihr auch nicht ganz klar. Sie liebte Steffen, sie war ganz vernarrt in ihn. Aber Timo war – na ja, er war nun einmal Timo, ihre erste Liebe. Sie fand es unpassend, dem einen vom anderen zu erzählen.
    Als Leonie zu ihrem Platz zurückkehrte, sah sie, wie Yasmin bei Timo stand und mit ihm plauderte. Sie lachten – wahrscheinlich über sie, über wen denn sonst? Da stieß Yasmin mit dem Fuß an Leonies Handtasche, diese kippte um, und ein Teil des Inhalts rutschte heraus. Leonies Pistole lag auf dem warmen Sand.
    Yasmin war wie versteinert, die Pistole im Blick. Erst nach einigen Sekunden gelang es ihr, Leonie anzusehen. »Was … Was ist denn das?«
    »Eine Pistole, siehst du doch«, schnauzte Leonie sie an.
    »Ist die etwa … echt?«, fragte Yasmin.«
    »Das geht dich gar nichts an, was ich in meiner Handtasche habe. Wenn du sie nicht durchwühlt hättest …«
    »Ich hab gar nix gemacht, hab hier nur rumgestanden«, rechtfertigte sich die Gescholtene.
    »Rumstehen, das kannst du. Fehlt nur noch die Panflöte.«
    »Spinnst du jetzt? Ich hab mich mit Timo unterhalten … Okay, vielleicht bin ich mit dem Fuß an die Tasche gekommen, echt sorry.«
    »Das hast du mit Absicht gemacht.« Leonie beeilte sich, die Pistole wieder zu verstauen. Plötzlich tat ihr der kleine Wutausbruch leid.
    »Entschuldige, ich … ich bin bei diesem Thema nicht ganz ich selbst, seit ich vor zwei Jahren überfallen worden bin«, erklärte Leonie in deutlich milderem Tonfall. Timo und Yasmin stellten zwar keine Fragen, sahen aber so aus, als

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