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Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Berg
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das hatte sie schon bei früheren Besuchen bemerkt, und ihre Eltern hatten ihr überdies verboten, dorthin zu gehen. Aber sie wollte ja nicht lange bleiben. Erwartungsvoll grub sie die Hände in den trockenen, teils sandigen, teils erdigen Boden.
    Sie wollte das, was sie falsch gemacht hatte, wiedergutmachen. Sie hätte das Ding aus Tante Leonies Handtasche nicht herausnehmen dürfen. Hätte den Schatz nicht stehlen und vergraben dürfen. Deshalb, so dachte sie, war der liebe Gott jetzt böse und hatte Morrison getötet, um sie zu bestrafen. Der arme Morrison, den hatte sie am liebsten gemocht.
    Sie war jetzt schon ziemlich tief, so tief hatte sie den Schatz gar nicht eingebuddelt. Suchte sie etwa an der falschen Stelle?
    Sie schüttete das Loch wieder zu und grub nun dort, wo sie eben gesessen hatte, ebenfalls vergebens.
    Wie ging denn das? So ein Schatz verschwand doch nicht einfach. Und sie hatte nur einem Menschen davon erzählt.
    »Clarissa?« Der Ruf ihrer Mutter. Vev kam näher und näher. »Clarissa, komm da bitte heraus.«
    Natürlich tat Clarissa, was ihre Mutter ihr gesagt hatte. Sie war niemals bockig. Vev konnte mit ihrer Tochter sogar am Süßigkeitenregal im Supermarkt vorbeigehen, ohne dass es zu nervigen Diskussionen kam. Doch sie spielte gerne nach, was sie in Büchern gelesen hatte, und das führte manchmal dazu, dass sie Verbote missachtete.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass du das Grundstück nicht verlassen darfst, ohne dass Papa oder ich dabei ist. Schon gar nicht darfst du unter die Eibe. Da machen Hunde ihren Haufen und manche Leute ihr Pipi hin.«
    »Weiß ich ja. Aber der gelbe Tennisball, der Papa gehört, ist da reingeflogen.«
    »So eine Frechheit von dem Ball, einfach wegzufliegen. Das macht nichts, Schatz. Papa hat so viele Tennisbälle, dass er gar nicht weiß, wie viele es sind.«
    »Aber es ist der Ball, auf den die Tante Leonie mir einen Schleimi draufgemalt hat.«
    Vev lachte. »Du meinst einen Smiley.«
    Clarissa hatte unabsichtlich etwas Komisches und zugleich höchst Intelligentes gesagt. Tatsächlich wirkten Leonies Versuche, für das Mitbringen und den Verlust der Pistole Abbitte zu leisten, wie ein unglaubwürdiges Anbiedern auf Vev: dass Leonie sie wegen Morrisons Tod trösten wollte, dass Leonie plötzlich Vevs und Yasmins Idee gegen Philipps Bedenken unterstützte, ein abendliches Lagerfeuer am Strand zu veranstalten, kurz dass Leonie sich auf einmal gut Freund mit ihr machen wollte. Bei Vev zündete das nicht. Leonie war bei ihr unten durch, nicht nur wegen der Pistole.
    Ein wenig verdächtig kam ihr Clarissas Sorge um einen bemalten Tennisball trotzdem vor. Daher kroch sie unter die Eibe und prüfte, ob ihre Tochter dort etwas versteckt hatte, was sie nicht hätte verstecken dürfen.
    Doch da war nichts, weder ein Tennisball noch eine Pistole.
    Sie nahm Clarissa an der Hand. »In einer Stunde machen wir ein Feuer am Strand. Das haben wir noch nie gemacht. Das ist schön, oder?«
    Clarissa nickte halbherzig erfreut. Für sie stand fest, dass sie noch einmal zur Eibe zurückkehren musste, um ihre Suche von neuem zu beginnen. Sie würde dann eben ein bisschen tiefer buddeln.
    »Und der Ball?«, fragte sie.
    Vev warf einen Blick zurück auf die Eibe. »Vergessen wir den Schleimi. Jemand anders wird sich bestimmt darüber freuen.«
    Philipp und Vev trafen die letzten Vorbereitungen für das Picknick. Es sollte Folienkartoffeln mit drei verschiedenen Dips geben, außerdem Thüringer Würstchen und Salat, dazu Sekt, Bier, Wein und Saft sowie – Philipps Meinung nach – einen kostenpflichtigen Rüffel vom Ordnungsamt. Yasmin hatte das Ganze ein »perfektes Aktivistenmenü« genannt, woraufhin Philipp sich abgewendet und die Augen verdreht hatte.
    »Das verlängerte Wochenende läuft nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe«, gestand er seiner Frau in der Küche, wo sie unter sich waren.
    »Aha«, kommentierte Vev. »Ist das Tsatsiki fertig?«
    »Nimmst du mich nicht ernst?«
    »Meinst du jetzt gerade oder im Allgemeinen? Der Zeitpunkt, um sich Mitleid bei mir abzuholen, ist schlecht gewählt, Philipp. Die Folie geht mir aus, und es sind noch vier Kartoffeln einzuwickeln. Außerdem bindet die Mayonnaise nicht. Was ist denn nun mit dem Tsatsiki?«
    »Gleich fertig.« Philipp raspelte die Gurke in den Joghurt. »Ich wollte es ja nur mal gesagt haben.«
    »Gut, jetzt hast du es gesagt.«
    »Willst du die Gründe nicht hören?«
    »Helfen die mir beim Binden der

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