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Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Berg
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Mayonnaise?«
    »Du nimmst mich tatsächlich nicht ernst. Solltest du aber, denn zwei der Gründe haben mit dir zu tun.«
    Vev hielt inne, lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Also, leg los.«
    Philipp wandte sich mit dem Schwung der Begeisterung, endlich jammern zu dürfen, seiner Frau zu. »Erstens: Leonie und ihre Pistole.«
    »Einverstanden. Wobei ich Leonie am deutlichsten gezeigt habe, was davon zu halten ist, während du mit ihr Frau Antje aus Holland gespielt und eine Radtour über grüne Wiesen gemacht hast. Aber ist egal, erzähl weiter.«
    »Zweitens: Yasmin ist mir völlig fremd. Ihre raue Stimme, die affigen Haare, die blöden Klamotten und der ganze buddhistisch-anarchistisch-esoterische Zinnober, den sie quatscht, gehen mir auf die Nerven. Timo hätte sie nicht einfach mitbringen dürfen. Drittens: Yasmin raucht Joints.«
    »Na, und wenn schon. Solange sie es nicht im Haus tut und Clarissa keinen anbietet, kann dir das doch egal sein.«
    »Viertens: Timo kapselt sich ab. Er ist nicht mit auf die Tour gekommen. Schreiben hätte er auch zu Hause können. Ich habe auch den Zeichenblock weggelegt, um mich um meine Gäste zu kümmern. Aber nein, Herr Stadtmüller mimt den Künstler, der seine Privatsphäre braucht.«
    »Andererseits nimmt er am Lagerfeuer teil, er war beim Frühstück, hat uns bei der Suche nach der Pistole geholfen, und ich habe heute Nachmittag mit ihm gepicknickt.«
    »Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen. Fünftens …«
    »Meinst du, deine Aufzählung beenden zu können, bevor die Leute abreisen?«
    »Fünftens«, fuhr er unbeeindruckt fort. »Du hast Herrn Stadtmüller ins Vogelschutzgebiet geschleppt. Das hat unsere tratschende Nachbarin mir genüsslich erzählt, als sie uns Kuchen vorbeigebracht hat.«
    »Geschleppt? Das hört sich ja an, als hätte ich ihn mit einem Lasso eingefangen.«
    »Du weißt genau, was ich meine.«
    »Wir waren picknicken.«
    »Ihr könnt doch nicht zu zweit picknicken gehen. Was sollen denn die Leute denken?«
    »Dass sie auch gerne entweder mit mir oder mit Timo picknicken gehen würden.«
    »Vev! Ich gebe nichts auf leichtfertiges Geschwätz, trotzdem müssen wir uns ein wenig auf die Sitten und Gebräuche des Lebens auf einer kleinen Insel einstellen. Das Vogelschutzgebiet ist tabu, und ein Picknick von Mann und Frau, die nicht Mann und Frau sind … Na ja, semioptimal, würde ich mal sagen.«
    »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«
    »Auf diesen kleinen Stadtmüller-Scheißer? Wohl kaum. Ich habe dir jedoch schon mal gesagt, dass die Leute hier …«
    »Gibt es noch ein sechstens?«
    »Oh ja, Morrison. Du hast den Kater einfach vergraben. Warum hast du nicht auf mich gewartet? Ich hätte ihn zur Tierkörperentsorgung gebracht.«
    »Prima, und währenddessen hätte ich Clarissa mitgeteilt, dass Morrisons Knochen zu Seife verarbeitet werden.«
    »Das Ordnungsamt …«
    »Wenn du noch einmal Ordnungsamt sagst, drehe ich durch. Es besteht aus drei glatzköpfigen, übergewichtigen Männern, die ein an Fetischismus grenzendes Verhältnis zu Maßbändern haben. Clarissa wollte eine Beerdigung, verstehst du? Und ich wollte sie auch.«
    »Na schön«, räumte er kleinlaut ein. »Aber ich hätte wenigstens daran teilnehmen müssen. Er war auch mein Kater.«
    Vev widmete sich wieder den Folienkartoffeln. »Du hast dich nie für ihn interessiert, hast ihm alles verboten, ihm nie etwas vom Tisch gegeben …«
    »Davon werden Katzen fett.«
    »Ich wollte, dass er von Menschen beerdigt wird, die ihn mochten.«
    »Von Timo?«
    Vev schaffte es nicht, die letzten beiden Kartoffeln einzuwickeln. Doch sie gab nicht auf, hantierte voller Ingrimm mit dem letzten Rest der Folie. »Das brauchst du gar nicht abzutun. Timo war sehr betroffen von Morrisons Tod. Ich glaube sogar, er hat vor dem Leichnam geweint.«
    »Er hat was ?«
    »Geweint. So nennt man das, wenn sich eine klare, salzige Flüssigkeit in den Augenwinkeln sammelt und über die Wangen rinnt. Sie reizt die Haut, das Gesicht schwillt an. Das diesen Vorgang auslösende Gefühl heißt Schmerz, Trauer oder Traurigkeit.«
    »Rede bitte nicht mit mir, als müsstest du einem Außerirdischen erklären, was Weinen bedeutet.«
    »Und rede du nicht mit mir, als gäbe es einen Grund für dich, eifersüchtig auf eine Beerdigung zu sein. Wenn du Morrison betrauern willst, bitte sehr, das Grab ist gleich vorne am Birkenwäldchen. Der frische Sandhügel ist nicht zu verfehlen.

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