Das Nest des Teufels (German Edition)
Hand spazierten wir den Pfad hinunter. Als wir den Waldrand erreichten, raschelte es zwischen den Fichten, und zum Vorschein kam – Juri Trankow. David umfasste meine Hand fester, als ich sie instinktiv wegziehen wollte.
«Hilja – und Stahl in Finnland. Welche Überraschung. Das vergessene Handy war also nur eine Ausrede!», schrie Juri mich an.
«Schau an, Juri. Wir haben uns jahrelang nicht gesehen.» David reagierte schneller als ich. «Ich habe schon gehört, dass du dich von Paskewitsch getrennt hast, um in größeren Gewässern zu fischen. Sei vorsichtig mit dem, was dir ins Netz geht.»
Die beiden Männer hatten sich kennengelernt, als David eine Zeitlang als Leibwächter für Paskewitsch arbeitete. Das war der erste Schritt seiner Einschleusung in die Unterwelt gewesen. Meiner Einschätzung nach war Juri auf jeden harten Mann, der ihm die Aufmerksamkeit seines Vaters stahl, eifersüchtig gewesen. Nachdem David das Lager gewechselt hatte, war er für Paskewitsch natürlich nur noch ein elender Verräter gewesen.
Juri hatte seine Schultertasche bei sich, in der er seine Skizzenblöcke und Landkarten transportierte. Er hatte sich in Långvik umgezogen und trug nun Wanderschuhe, Jeans und Anorak. Ich hatte ihm nicht gesagt, dass ich gegen seine Pläne arbeitete. Juri war von dem Komplex, den Syrjänen in Kopparnäs bauen wollte, fasziniert und betrachtete ihn als sein architektonisches Meisterwerk, nicht als Zerstörung der Natur. David suchte in diesem Gebiet etwas, womit er Gezolian das Handwerk legen konnte. Ich dagegen wollte nur, dass es unberührt blieb, ein Tummelplatz für Luchse und Elche und ein Ort, an dem die Menschen zur Ruhe kamen. Es war wohl ein Fehler gewesen, Juri nichts davon zu sagen.
«Syrjänen braucht dich offenbar nicht. Dann ist meine Rückkehr sicher auch nicht so dringend.» Ich hörte selbst, wie verlogen meine Worte klangen, es fiel mir schwer, Juri ins Gesicht zu blicken. War er zufällig hier, oder hatte er mich verfolgt?
«Du weißt doch, was passiert, wenn Syrjänen mit Julia in die Sauna geht? Stundenlange Liebesspiele in der Dampfstube und im Umkleideraum. Vielleicht sollten wir es auch mal in der Sauna probieren, Hilja. Dort ist es womöglich noch angenehmer als im Atelier. Obwohl ich auch über die Begegnungen dort nicht klagen kann. Du irrst dich, Stahl, wenn du glaubst, dass Hilja dir allein gehört. Wir –»
«Lass das, Juri! Ich habe niemandem Treue geschworen und werde es auch nie tun.» Ich zog die Hand aus Davids, der Ring schien mir den Finger zu verbrennen.
«Du könntest hier nicht mit Stahl turteln, wenn ich dir nicht das Leben gerettet hätte! Du würdest in einer Bunkerruine oder auf dem Meeresgrund liegen. Aber auf mich kommt es ja nicht an, solange ich nur tue, was du sagst. Dann bekomme ich vielleicht mal ein Almosen, wenn du gerade nichts Besseres zu tun hast.» Juris Stimme brach wie bei einem pubertierenden Jungen. «Bestimmt ist Stahl für dich ein Held, ein starker Liebhaber und so weiter. Wunderbar, solange alles nach seinem Willen geht. Wenn nicht, schiebt er die Schuld auf einen anderen. Hast du Hilja schon erzählt, was in Moskau passiert ist? Ich bin in Schande geraten, aber weswegen? Wegen dir, Stahl. Seitdem hasse ich dich.»
21
Ich musste beinahe lachen, als ich sah, wie David und Juri sich anstierten. Juri hatte immer zu verstehen gegeben, dass er David verabscheute, David wiederum hatte es vermieden, von Juri zu sprechen, aber verächtlich gelacht, als ich ihm erzählte, wie ich Juri in Bromarv mit einem einzigen Handkantenschlag zu Boden gestreckt hatte. Ich zog mich noch weiter von den beiden Männern zurück, sodass wir eine Art Dreieck bildeten.
«Bist du sicher, dass Hilja die Geschichte hören soll?», fragte David. Juri wurde noch bleicher, nur seine dunklen Augen glühten. Das Licht fiel schräg durch den dichten Nadelwald, das Moos roch noch nach Regen. Die schwankenden Zweige zeichneten Streifen auf Davids Gesicht, und ein Schwarzspecht rief, als wolle er uns warnen.
«Trankow hasst mich, weil ich ihn daran gehindert habe, ein Verbrechen zu begehen. Er wollte Paskewitschs Hausmädchen Darja vergewaltigen.»
«Von wegen vergewaltigen! Sie wollte es genauso wie ich.»
«Das sagen Vergewaltiger oft. Das Nein einer Frau soll angeblich Ja bedeuten. Juri war gerade aus der Erziehungsanstalt irgendwo im hintersten Sibirien entlassen worden und nach Moskau gekommen, um seinen Vater zu besuchen. Der war anfangs wohl ganz
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