Das Nest des Teufels (German Edition)
handelte sich um Davids Obsession, es war geradezu unverschämt, Juri in die Sache hineinzuziehen. Vielleicht genügte es, dass er uns nicht verriet. Aber konnte ich ihm wirklich vertrauen? David und ich hatten ihn gedemütigt, und ich hatte seine Rachsucht offenbar unterschätzt.
Im Wipfel einer Fichte, einige hundert Meter von uns entfernt, sang eine Heidelerche ihr melancholisches lii-lii-liilüü. Juri und David beobachteten einander wie eine Katze und ein Marder, die beide überlegten, ob es ratsam sei, das andere Tier anzugreifen. Frida hatte ähnlich ausgesehen, als sich einmal ein Jagdhund auf unseren Hof verirrt hatte. Sie hatte eine Weile gefaucht, war dann aber schleunigst auf einen Baum gesprungen und hatte von dort oben weitergeknurrt. Onkel Jari hatte den Hund eingefangen und seinem Besitzer zurückgebracht; zu mir hatte er gesagt, es sei ein Glück, dass Hunde nicht sprechen können.
Es war Juri, der schließlich das Schweigen brach.
«Gezolian ist nicht so leicht zu betrügen. Sei vorsichtig, Hilja, sonst landest du noch mit Stahl in derselben Hölle. Wenn du nichts versprichst, brauche ich es wohl auch nicht zu tun. Gezolian kommt zur Mai-Feier nach Finnland. Wollt ihr dann schon handeln?»
Ich sagte Juri, wir hätten noch keine Zeit gehabt, einen Plan zu entwickeln. David überließ das Reden mir, was mich ärgerte. Inzwischen drängte es mich nicht mehr, in einem der buntmöblierten Zimmer des Gasthofs mit ihm ins Bett zu gehen. Der Hahnenkampf der beiden Männer hatte meine Lust erstickt. Zum Glück war David klug genug, jede besitzergreifende Geste zu unterlassen, als ich ihm vorschlug, zum Jeep zurückzugehen, und hinzufügte, ich würde ihn unterwegs irgendwo absetzen.
Juri blieb auf dem Waldweg stehen. Als ich mich umblickte, sah ich, dass er den Kopf hängen ließ und vor sich hin murmelte. Ich mochte mir nicht einmal vorstellen, was er sagte. Einen Moment lang überlegte ich, David vorzuschlagen, dass wir sofort verschwinden sollten, Finnland, Gezolian, Kopparnäs, alles hinter uns lassen und uns eine Zuflucht suchen, wo uns niemand finden würde. Ich würde irgendeine Arbeit annehmen, um den Lebensunterhalt für uns beide zu verdienen, während sich David verborgen hielt. Doch ich sprach den Gedanken natürlich nicht aus. Und wegen seines Sohnes konnte David ja ohnehin nicht fliehen.
«Fahr zur Ruine des Gutshofs. Ich werde mich dort mal umsehen», sagte David. Seine Stimme klang nicht barsch, aber distanziert.
«Ich setze dich dort ab, aber dann muss ich zurück nach Långvik. Ich kann froh sein, wenn Juri Julia nicht verrät, dass ich in Kopparnäs war und nicht in der Stadt.»
Ich schloss den Wagen auf, David stieg ein und grinste, als er am Armaturenbrett die vielen kleinen Instrumente der Sonderausstattung sah. Juris Jaguar stand in der nächsten Parkbucht.
«Hast du wirklich tatenlos zugesehen, als Paskewitsch Juri halb totschlug?», fragte ich, denn der Gedanke quälte mich. David war ja auch fähig gewesen zu töten, und wenn er von Juris Schuld überzeugt gewesen war … Dennoch wollte ich mir ihn nicht als sadistischen Folterknecht vorstellen.
«Ich war damals als Leibwächter bei Paskewitsch und trug die Verantwortung für die Sicherheit in seinem Haus. Ich hatte beobachtet, wie Juri Darja ansah. Aber dass ich zu dem bewussten Zeitpunkt in die Küche ging, war reiner Zufall. Vielleicht wollte das Mädchen nur ein wenig schmusen und bekam es mit der Angst zu tun, als Juri mehr forderte. Jedenfalls war sie völlig außer sich. Und Paskewitsch wollte unbedingt seine Macht demonstrieren. Eine so seltsame Vater-Sohn-Beziehung habe ich noch nie erlebt. Beide hassen einander, können sich aber nicht in Ruhe lassen. Ich habe es nicht genossen, dass Juri so hart bestraft wurde, aber für Paskewitsch war es ein Genuss. Es war, als habe er nur auf die Gelegenheit gewartet, Juri zu demütigen, und er war verdammt enttäuscht, als der Junge nicht um Gnade winselte. Ich habe Paskewitsch wirklich gebeten, aufzuhören, Hilja. Du kennst mich doch. Aber das konnte ich natürlich nicht sofort tun, sonst hätte Juri mich noch mehr gehasst. Es fällt mir schwer, ihm zu trauen. Verdammtes Pech, dass wir ihm begegnet sind.»
Ich bog von der Råbergintie nach links ab und hielt am Garten des verfallenen Gutshofes. Traubenhyazinthen und Leberblümchen bedeckten die Erde. Die Zwiebeln waren gesetzt worden, bevor die Sowjetunion das Gebiet gepachtet hatte, vielleicht schon vor siebzig Jahren,
Weitere Kostenlose Bücher