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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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seien am leichtesten zu reinigen, indem er auf das Dach kletterte und sich kniend nach unten reckte, da die Fenster nur dreißig Zentimeter breit waren.
    «Komm mit rauf und halt mich an den Beinen fest», schlug er allen Ernstes vor.
    «Idiot, du brauchst einen Sicherheitsgürtel! Den muss es in diesem Haus doch geben.»
    «Was?»
    «Du willst Experte im Bauwesen sein und weißt nicht mal, was ein Sicherheitsgürtel ist? In meinem Job gilt, dass man keine unnötigen Risiken eingeht. Ohne Sicherheitsgürtel lasse ich dich nicht aufs Dach. Wenn es keinen gibt, kaufen wir einen. In Kirkkonummi gibt es ein großes Eisenwarengeschäft.»
    Wie ich befürchtet hatte, verstand Juri meine Besorgnis falsch und glaubte, ich bange als Frau um seine Sicherheit und nicht als Personenschützerin. Schließlich fanden wir den Gürtel in der Garage, und obwohl Juri meckerte, die Vorsichtsmaßnahme sei maßlos übertrieben, legte er ihn an, nachdem ich überprüft hatte, dass er funktionstüchtig war. Ich stieg mit ihm aufs Dach und befestigte die Leine am Schornstein. Er würde Juris Gewicht wohl standhalten, allerdings hoffte ich, dass wir dies nicht zu testen brauchten. Ich dachte an verschiedene Nutzungsmöglichkeiten des Gürtels und an Gezolians Kleinflugzeug, mit dem er wohl leider nicht zur Hochzeit kommen würde. Wenn man einen Menschen in großer Höhe im Sicherheitsgürtel zappeln ließe und ihm drohte, die Halteleine zu zerschneiden, falls er nicht redete, würde man selbst bei einem harten Burschen wie Gezolian Resultate erzielen.
    Als Juri das letzte Fenster trocknete, rutschte er aus. Er hatte sich so weit nach unten gereckt, dass sich der Körperschwerpunkt nach vorn verlagerte; daher fiel er über die Dachkante und hing gerade so tief, dass er nicht mit den Händen nach dem Dach fassen konnte. Er versuchte, sich mit Hilfe der Bauchmuskeln aufzurichten und nach der Leine zu greifen, doch sie rutschte ihm durch die nassen Hände. Ich sah, wie der Schornstein wackelte. Er würde nicht lange halten. Juri befand sich etwa vier Meter über der Erde, mit viel Glück würde er beim Sturz nur blaue Flecken davontragen. Er konnte sich aber auch schwer verletzen.
    Ich hatte selbst keinen Gürtel und nicht einmal ein zusätzliches Seil, doch daran durfte ich jetzt nicht denken. Bäuchlings schob ich mich an Juri heran und versuchte, die Füße an den abschüssigen Dachpfannen zu verhaken, die jedoch keinen Halt boten. Ich hielt mich die ganze Zeit an der Sicherheitsleine fest und schaffte es schließlich, den Schornstein zu erreichen. Dort befand sich ein etwa zwanzig Zentimeter hoher Betonblock. Ich setzte mich so hin, dass der Block meinen Rücken stützte und ich auch die Beinkraft einsetzen konnte, dann begann ich Juri hochzuhieven.
    «Jetzt geht’s nach oben!», rief ich ihm zu. Zehn Zentimeter würden genügen, damit Juri mit den Händen den Dachrand erreichte. Zum Glück war er zierlich, bei David hätte ich Probleme gehabt. Eins, zwei, drei, vier, zählte ich in Gedanken. Die Leine schnitt mir in die Hände, während ich sie aufwickelte. Dann sah ich Juris Finger, bald darauf seine Handgelenke und seinen Scheitel. Als auch seine Ellbogen auf dem Dach waren, konnte ich den Griff ein wenig lockern und mir ein weiteres Stück der Leine um den Arm wickeln.
    «Okay», keuchte Juri, als sein linkes Knie das Dach erreichte.
    «Kriech auf dem Bauch hoch, versuch nicht, zu knien!», befahl ich. Das Dach war zwar nicht glatt, doch die größte Gefahr drohte immer in dem Moment, wenn man glaubte, es geschafft zu haben. Deshalb fiel im Eishockey oft erst dann ein Tor, wenn die Mannschaft eine Bankstrafe gerade ohne Rückschlag überstanden hatte. Juri gehorchte. Er kroch zu mir, und ich sah in seinen Augen, dass er einen Schreck bekommen hatte.
    «Der alberne Gürtel war doch nützlich», murmelte er. «Aber ohne ihn wäre ich natürlich vorsichtiger gewesen.»
    «Soll ich das glauben?» Ich fuhr Juri durch die Haare, er kam mir wieder vor wie ein kleiner Bruder, auf den man aufpassen muss. Ich riet ihm, den Wassereimer und die restlichen Utensilien hinunterzuwerfen und dann zur Dachleiter zu gehen. Die Leine würde ich erst lösen, wenn er auf dem Weg nach unten war. Obwohl ich mich auf dem Dach sicher fühlte, kroch auch ich zur Leiter, um Juri nicht noch mehr zu beschämen. Die anderen waren im Haus und hatten die Episode offenbar gar nicht mitbekommen. Juri ging ins Atelier, wo die Metallschließen des Sicherheitsgürtels über

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