Das Nest des Teufels (German Edition)
auf lautlosen Sohlen hinter mich geschlichen. Sein weißer Bademantel war so flauschig, dass er aussah wie das Fell eines Plüschtiers.
«Tue ich nicht! Aber du hast eine Verehrerin. Pass auf dich auf.» Ich erzählte ihm von Frau Becks Fragen.
«Mich will also doch noch jemand», sagte er und streichelte mir die Wange. Ich schob seine Hand fort und fragte, ob er in der Sauna etwas Interessantes gehört hatte.
«Das fragst du nur wegen Stahl, stimmt’s? Ihr wollt unsere tollen Pläne hintertreiben. Du hättest sehen sollen, wie unsere Gäste, hoffentlich unsere künftigen Geschäftspartner, sie bewundert haben. Wahrscheinlich interessiert sich Direktorin Beck für mich, weil ich so talentiert bin. Sie meint, auch ihre Möbelfirma könnte Verwendung für mich haben.»
«Dann ist es ratsam, dass du ihren Test bestehst. Ich kann ja im Schlafsack in der Garage übernachten, wenn es hier zu eng wird.»
«Du hättest ihr sagen sollen, ich gehöre dir. So weit könntest du einen Freund doch beschützen.» Juri zog den Bademantel aus, unter dem er nur Boxershorts trug. So sollte er sich der Geschäftsführerin Beck lieber nicht zeigen, zumal sich unter der dunkelvioletten Seide eine halbe Erektion abzeichnete. Ich wandte mich ab und verließ das Atelier.
Ein Buchfink sang eine Ode an den Sonnenuntergang. Vom Bootssteg her gesellte sich eine Männerstimme dazu. Joel Beck brachte Gezolian und Julia Trinklieder bei. Gezolian hatte einen sehr dunklen, angespannten Bass, Julia bewegte zwar die Lippen, doch ihre Stimme konnte ich nicht hören.
Vanamo hatte mir eine SMS geschickt: «Heute haben wir die Kühe auf die Weide gelassen, damit sie sich daran gewöhnen. Sie haben sich ein bisschen gewundert, weil die Sonne so hell schien. Wirbelwind kalbt bald, Opa hat gesagt, ich darf zugucken, wenn ich dann nicht gerade in der Schule bin. Alles Gute zum ersten Mai! Kommst du zu unserer Schulfeier? Vanamo»
Die SMS war wie ein Bad in reinem Wasser inmitten all der stumpfsinnigen Sauferei. Bei Huttinens betrank sich bestimmt keiner, und niemand grölte spöttisch Arbeiterlieder. Ich wäre gern dort gewesen. Der Gedanke an die Feier zum Ende des Schuljahrs rührte mich, seit meiner eigenen Schulzeit hatte ich kein solches Fest mehr erlebt.
Ich ging auf die Uferterrasse und setzte mich auf ein Sofa, um die Ereignisse auf dem Steg zu verfolgen. Nun war auch Hannula mit einer weiteren Champagnerflasche hinzugekommen. Er und Beck waren wohl von allen Anwesenden am meisten beschwipst. Kein Wunder, dass Ulla Beck sich nach einem leistungsfähigeren Bettkumpan sehnte.
Ich hörte die Klingel am Tor läuten und wunderte mich. Es wurden doch keine weiteren Gäste erwartet! Rasch ging ich in das Kontrollzentrum im Vestibül. Die Kamera am Tor zeigte einen mir unbekannten jungen Mann im engen Radlertrikot und mit schweißnassem Gesicht.
«Was gibt’s?», fragte ich streng, und der Mann zuckte zusammen, als meine Stimme aus dem Lautsprecher dröhnte.
«Ich bin Tuomo Rantanen, ein Nachbar.» Der Mann war außer Atem. «Es ist mir sehr peinlich, aber ich müsste die Sauna heizen, und wir haben kein einziges Streichholz im Haus. Könntet ihr mir eine Schachtel leihen?»
«Ich denke schon. Warte eine Sekunde, ich bringe sie raus.»
Natürlich war es möglich, dass der Mann die Wahrheit sagte. Es konnte sich aber auch um einen Paparazzo handeln, der sich in der Hoffnung auf Skandalfotos bei Syrjänens Mai-Feier einschleichen wollte. Allerdings erinnerte ich mich, dass auf einem der Briefkästen am Wegrand tatsächlich der Name Rantanen stand. Ich holte eine Schachtel Streichhölzer vom Kamin und ging zum Tor. Darauf gefasst, dass der Mann versuchen würde, auf das Grundstück zu gelangen, öffnete ich das Tor nur einen Spaltbreit und schlüpfte hinaus. Der Besucher war ein Stück zurückgetreten, sodass die Kamera ihn nicht mehr erfasste. Das machte mich misstrauisch.
«Hier.» Ich reichte dem Mann die Schachtel, und er nahm sie entgegen. Er trug Radlerhandschuhe, sein Rad hatte schmale Reifen und keinen Gepäckträger. Er stopfte die Streichholzschachtel in eine Tasche, die im Flaschenhalter steckte und der er ein kleines Päckchen entnahm.
«Du bist doch Hilja Ilveskero? Ich wurde gebeten, dir das hier zu bringen.»
«Von wem?»
«Von meiner Mutter. Eini Rantanen.»
Es dauerte eine Weile, bevor mir aufging, wer Eini Rantanen war: die zerberusartige Wächterin über die Archive der Zentralkripo, die Teppo Laitio aus der Hand gefressen
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