Das Nest des Teufels (German Edition)
eingeladenen Ehepaare gaben sich beim Begrüßungstrunk distinguiert, während der ehemalige Minister und jetzige Abgeordnete Hannula es als seine Aufgabe zu betrachten schien, alle Anwesenden zum Lachen zu bringen. Es wunderte mich, dass Gezolian und Syrjänen bei ihrem Projekt auf ihn bauten, denn der nächsten Regierung würde er sicher nicht angehören. Als die Gäste ins Haus gebeten wurden, machte ich einen Abstecher ins Atelier, googelte Hannula und erfuhr, dass er der Vorsitzende des Regionalplanungskomitees von Uusimaa war. Gerade dieses Gremium entschied über Anträge auf Abänderung von Bebauungsplänen. Syrjänen schien also doch zu wissen, wem er um den Bart streichen musste.
Um sechs Uhr wurden die Studentenmützen aufgesetzt und die Gläser nachgefüllt. Joel Beck, der Mann der Geschäftsführerin Ulla Beck, war Chorsänger; er stimmte das Lied «Nun spielen die Lerchen hoch in der Luft» an und versuchte, die anderen zum Mitsingen zu animieren. Hannula, der meines Wissens durchaus kein Sozialist war, gab ein paar Arbeiterlieder zum Besten und erklärte Julia, in der Sowjetzeit sei es auch für bürgerliche finnische Politiker ratsam gewesen, in Russland beliebte Melodien zu kennen. Zum Glück bat Hanna zu Tisch, bevor noch jemand auf die Idee kam, seine Gesangskünste vorzuführen.
Ich saß zwischen Hannula und Gezolian und zog das Tischgespräch mit Hannula in der gleichen Art durch wie meine Verkleidung als Reiska: Diejenige, die über die anzüglichen Geschichten des Politikers kicherte, war nicht ich. Auf der anderen Tischseite machte Juri ein böses Gesicht, als habe er einen Anlass und das Recht, eifersüchtig zu sein. Zum Glück füllte Hanna, die als Mundschenk fungierte, mein Glas nur sparsam auf. Als wir beim Dessert – Zitronenlikörgelee und Himbeermousse – angelangt waren, war ich außer Hanna die Einzige, die noch fahrtüchtig war.
Ich hatte bei meiner Arbeit oft genug anderen beim Saufen zusehen müssen, es machte mir nichts aus. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Männer zum Saunabesuch aufbrachen, hielt sich das Ganze ohnehin in zivilisiertem Rahmen. Julia ging nie mit Gästen in die Sauna, sie fand es unhöflich, zu erwarten, dass die Frauen sich für ein Fest zurechtmachten und dann in der Sauna Make-up und Frisur verschandelten. Würden die Männer beim Schwitzen zum Thema kommen? Ich hätte mich zu gern in eine Spinne verwandelt und wäre unter die Schwitzbank gekrochen.
«Halte die Ohren offen», flüsterte ich Juri zu, als er mit einem Bierkasten zur Sauna ging. Er zwinkerte mir zu. Ich wollte Hanna in der Küche helfen, doch sie scheuchte mich fort. Julia trieb Smalltalk mit den Damen, die Frau des Unternehmensleiters kannte ebenfalls die besten Schuhgeschäfte in New York. Die Geschäftsführerin dagegen wirkte gelangweilt. Als ich an ihr vorbeiging, fragte sie, ob ich ihr die Toilette zeigen könne. Die Gäste waren zwar durch das Haus geführt worden, aber ich dachte mir, die Leiterin der Möbelfirma habe wohl keinen Orientierungssinn.
Doch sobald wir ein Stück von Julia entfernt waren, fragte die Frau: «Interessiert sich Syrjänens schöner Künstler für Frauen oder für Männer?»
«Für Frauen.»
«Gut. Taugt er etwas?»
«Wie meinen Sie das?»
«Hast du ihn getestet? Ist der Junge standfest?»
«Das weiß ich leider nicht. Das müssen Sie selbst herausfinden.»
Die Party würde sich wohl zu einem wahren Mainachtstraum entwickeln, auch ohne Pucks Zaubertricks. Sollte ich Juri vor Frau Beck warnen? Ach nein, ich würde erst einmal abwarten. Ich ging ins Atelier und vergewisserte mich, dass die Aufzeichnung lief. Dann betrachtete ich die Aufnahme der Saunakamera in Realzeit und erblickte als Erstes den nackten Make Hannula. Nun verstand ich ein wenig besser, warum die Frauen so hinter ihm her waren.
«Auf mich könnt ihr euch verlassen, Jungs», prahlte er. «Wir werden ja sehen, wer am Ende den Schwarzen Peter kriegt. Die neue Regierung richtet sich mit den Kreditbürgschaften selbst zugrunde, da ist der Sohn der alten Frau Hannula schlau genug, die Finger vom Ministerposten zu lassen. Aber wenn das Kartenhaus zusammenbricht, ist Erfahrung gefragt, und dann kommt unsereins zum Zug. Und der Realismus. Dann wird absolut alles, was Steuereinnahmen bringt, mit Jubel begrüßt. Das kann ich dir versprechen, Usko. Ich gebe dir mein Manneswort darauf.»
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«Begaffst du diesen Widerling? Er ist bestückt wie ein Zuchthengst, das muss man ihm lassen.» Juri war
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