Das Nest des Teufels (German Edition)
seinem Puls, er hatte sich ein wenig beschleunigt.
«Hat dir die Notrufzentrale irgendwelche Anweisungen gegeben?», erkundigte ich mich bei Hanna.
«Wir sollen ihm nichts zu trinken geben und nicht versuchen, ihn zum Erbrechen zu bringen. Vielleicht wäre es gut, wenn Juri unten am Tor auf den Krankenwagen wartet, und Julia sollte sich wohl etwas anziehen, falls sie vorhat, ihren Bräutigam zu begleiten.» Das Wort Bräutigam klang ein wenig spöttisch.
Trankow ging sofort hinaus. Ich war froh, dass Hanna nicht die Nerven verlor, und fragte sie, ob Syrjänen früher schon einmal Probleme mit Medikamenten gehabt hatte. Hanna erinnerte sich an keinen ähnlichen Vorfall. Da ich nichts weiter für Syrjänen tun konnte, ging ich ins Bibliothekszimmer, in dem er am Abend mit seinen Gästen gesessen hatte. Auf dem Bartisch stand eine reichliche Auswahl an Getränken. Die Flasche mit dem Maltwhisky war halb voll, die Cognacflasche fast leer. Auf dem Tisch standen drei Gläser, von denen eins am Rand mit Lippenstift beschmiert war.
Ich hatte Hanna nicht gebeten, die Polizei zu alarmieren, denn es handelte sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Unfall. Dennoch war es ratsam, die Gläser vorläufig nicht zu spülen. Ich sah Juri schlotternd am Tor stehen, er war ohne Mantel hinausgegangen, obwohl wir noch mehr als zehn Grad Frost hatten. Ich kehrte in Syrjänens Schlafzimmer zurück und zog seine Nachttischschubladen auf. In der oberen lagen nur Taschentücher und das Ladegerät seines Handys, aber in der unteren fand ich zwei Pillenschachteln. Die eine enthielt weitere Tabletten gegen Sodbrennen, die andere war russisch beschriftet. Promazin, entzifferte ich mühsam. In Finnland war Promazin unter keinem Handelsnamen mehr erhältlich, aber in vielen anderen Ländern wurde es immer noch verkauft. In Verbindung mit Alkohol konnte eine Überdosis lebensgefährlich sein.
«Weißt du etwas von diesem Promazin?», fragte ich Julia, die inzwischen eine Collegehose und einen dicken Pullover angezogen hatte. «Nimmt Usko es oft?»
«Was ist das?»
«Ein Schlafmittel.»
«Er hat sonst immer irgendein finnisches Präparat genommen. Diese Schachtel habe ich noch nie gesehen! Bestimmt hat die Frau Usko etwas ins Glas geschüttet, diese Anne. Uskos Ex muss sie dazu angestiftet haben. Du erinnerst dich doch, Hanna? Du hast mir nach dem Essen versehentlich Tee gebracht, obwohl ich einen Cappuccino wollte. Da hat Usko gesagt, er würde den Tee trinken. Diese Frau wollte mich umbringen, weil Satu es ihr befohlen hat. Usko ist größer als ich, sonst wäre er schon tot. Gütiger Gott!»
Julia schlug die Hände vors Gesicht, als Syrjänen erneut von einem Krampf geschüttelt wurde.
10
Es war eine Erleichterung, als der Krankenwagen eintraf und Profis die Verantwortung für Syrjänen übernahmen. Julia schlug Krach, weil sie nicht im Krankenwagen mitfahren durfte, und ich versprach, sie in die Klinik zu kutschieren, wo man Syrjänen den Magen auspumpen würde. Vorher gab ich den Männern des Notarztteams die Promazinschachtel und berichtete ihnen, dass Syrjänen am Abend eine beträchtliche Menge Alkohol konsumiert hatte.
Falls Julias Theorie zutraf, hatte ich einen schlimmen Fehler begangen: Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Syrjänens Freunde finstere Absichten hegen könnten. Während ich den Wagen über die Landstraße lenkte, die wegen Bauarbeiten einer Abenteuerbahn glich, begann ich jedoch an Julias Geschichte zu zweifeln. Anne Vatanen hätte doch wohl reagiert, wenn sie gesehen hätte, dass die falsche Person das Gift bekam? Und eine ausreichende Dosis Schlafmittel hätte den Geschmack des Tees sicher so beeinträchtigt, dass es Usko aufgefallen wäre. Aber wenn es sich tatsächlich um einen Anschlag auf Julia handelte, würde die Schuld auf mich zurückfallen. Ich dachte an das, was Gezolian in Leysin zu mir gesagt hatte: «Pass gut auf meinen Schatz auf, Hilja Ilveskero. Sie ist mein Ein und Alles.» Spätestens wenn Julia etwas zustieß, würde Gezolian meinen Hintergrund erforschen. Und dann half es mir gar nichts, zu beteuern, dass ich schon seit langem nicht mehr in David Stahls Lager war.
Ich konnte nur warten, bis Syrjänen aufwachte und sich erinnerte, was geschehen war. Er würde doch wieder zu sich kommen? Anna hatte zwar konfus gewirkt, aber so dumm war sie wohl nicht, dass sie glaubte, einen Mord begehen zu können, ohne erwischt zu werden. War das Promazin verwendet worden, um den Verdacht auf Julia zu
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