Das Nest
Einverstanden?«
»Na gut. Ich bin in der Küche, komm nach, wenn du fertig bist. Die Vorstellung, in einer wirklichen Küche ein wirkliches Abendessen zu kochen, ist nach den letzten paar Tagen seltsam reizvoll.«
Nach einer halben Stunde hatte Cordelia Lindsays Darstellung ihrer Nachforschungen und Erlebnisse durchgeackert, saß nun regungslos da und starrte aus dem Fenster. Sie konnte sich den Druck, unter dem Lindsay gearbeitet hatte, kaum vorstellen. Jetzt verstand sie so vieles. Sie erfaßte auch instinktiv, was zwischen Lindsay und Deborah vorgefallen sein mußte. Aber für ein Verzeihen war es noch zu früh. Im Moment wollte sie nur sicher sein, daß das elementare Bedürfnis der Geliebten, immer eher an ihre Prinzipien zu denken als an sich selbst, sie nicht mehr in Gefahr brachte.
Cordelia ging zu Lindsay, die in der Küche mit den letzten Handgriffen für ihr indisches Gericht beschäftigt war. »Ich hatte ja keine Ahnung«, sagte sie.
Lindsay zuckte die Schultern. »Ich wollte so gern mit dir darüber reden«, seufzte sie. »Nicht nur jetzt, am Schluß, sondern die ganze Zeit über. Ich hab’ diesen Gedankenaustausch so vermißt.«
»Und was war mit Deborah?«
»Nichts, worüber du dir Sorgen machen müßtest, ehrlich.«
»Also, und jetzt? Was passiert jetzt? Ich denke nicht an uns, ich meine mit Deborah? Warten wir, bis sie Simon Crabtree erledigt haben und tun dann so, als wär’ nichts gewesen?«
Lindsay schüttelte den Kopf. »Nein, das werden wir nicht. Diese elenden Figuren haben ihr Wort schon einmal nicht gehalten. Sie sind mir nachgefahren – das hast du doch gelesen? Also, was mich betrifft, werd’ ich nicht einfach still dasitzen und abwarten, daß Rigano mir endlich sein Zeichen gibt. Die beste Variante, sie zum Handeln zu zwingen, ist, das Ganze zu veröffentlichen. Sonst dauert es noch Monate oder womöglich Jahre, bis eine der beiden Seiten beschließt, daß sie auf Crabtree verzichten kann. Ich denke nicht daran, bis dahin unter diesem Schatten zu leben. Außerdem ist der Typ ein Mörder. Er wird wieder zuschlagen, wenn jemand zufällig der Wahrheit in die Nähe kommt. Und nächstes Mal könnte ich dran sein. Oder eine Person aus meiner Umgebung.«
»Ja aber, was willst du denn jetzt tun?«
»Ich geb’ die ganze Story Duncan. Und wenn er sie nicht verwendet, dann geht sie weiter an Dick McAndrew. Auf jeden Fall wird sie gedruckt.«
»Du bist verrückt.«, protestierte Cordelia. »Sie werden dich aufs Korn nehmen statt Crabtree. Sie haben deine Unterschrift auf der Sicherheitsakte. Und der erste Reporter, der Crabtree deinen Artikel unter die Nase reibt, führt ihn damit geradewegs zu dir. Wenn dich unsere nicht kriegen, dann die Sowjets.«
»Sei doch nicht so melodramatisch«, wehrte Lindsay verärgert ab. »Ich weiß schon, was ich tu’.«
»So wie letzte Nacht, wo du in den Klauen dieser Harriet Barber gelandet bist. Da hast du wohl auch gewußt, was du tust? Und ich hatte gehofft, daß du endlich etwas klüger geworden bist«, entgegnete Cordelia bitter.
»Ein Punkt für dich«, gab Lindsay zu. »Aber es hat gar keinen Sinn, lange herumzudebattieren. Wir gehen einfach von verschiedenen Voraussetzungen aus. Für mich zählen das Prinzip und der Selbstschutz. Dir geht es nur darum, daß mir nichts passiert. Das ist ja schön und gut, und wenn du in meiner Lage wärst, würde ich genauso empfinden. Aber darüber hinaus glaube ich, daß wir es denen doch nicht so einfach machen können: Menschen, die nichts verbrochen haben, werden in ein Versteck gescheucht, um einen Spion und Mörder zu schützen. Ich kann da nicht einfach wegschauen, nur weil das gegenteilige Verhalten mein Leben komplizieren würde. Wenn ich dir das nur begreiflich machen könnte!«
Cordelia wandte sich ab. »Oh, ich verstehe sehr gut. Rigano hat dich geködert, für ihn die Dreckarbeit zu erledigen, und du bist auf ihn hereingefallen.«
Lindsay schüttelte den Kopf. »So simpel ist es nicht. Ich fühl’ mich auch total demoralisiert und betrogen. Ich muß etwas tun, um diese Empfindungen loszuwerden. Und wegen des anderen Krams auch.«
Cordelia schlang ihre Arme um Lindsay. »Ich will ja nur nicht, daß dir was zustößt. Wenn du dir was in den Kopf setzst, vergißt du immer, an deine eigene Sicherheit zu denken.«
»Na ja, ein bißchen was hab’ ich schon mitgekriegt. Diesmal werd’ ich darauf achten, mein Prestige in der Öffentlichkeit so zu gestalten, daß sie es nicht wagen werden, mich
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