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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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deinen Angreifer zu verhaften, wovon der aber keine Ahnung hat. Also mußt du so schnell wie möglich untertauchen, sonst startet er einen zweiten Versuch. Ich hab’ alles arrangiert, daß Cara und du an einem Ort bleiben könnt, wo euch keiner findet. Nur eine Zeitlang, bis das Gröbste überstanden ist. In die Polizei hab’ ich kein Vertrauen, deshalb wollen wir’s auf eigene Faust machen. Kannst du dir das vorstellen?«
    »Viel Auswahl scheine ich ja nicht zu haben, oder?« antwortete Deborah. »Aber ich weiß nicht, wie ihr mich hier rausbringen wollt. Heute nachmittag hab’ ich probiert, aus dem Bett zu steigen. Aber die Idee war gar nicht gut.«
    Mit diesem Problem hatte Lindsay nicht gerechnet. Aber Jane wußte bereits die Lösung. »Einen Rollstuhl, Lindsay«, sagte sie und lächelte über den entsetzten Ausdruck im Gesicht der Freundin. »Wir sind an ein paar vorbeigegangen. Sie stehen in einer Nische in der großen Halle gleich beim Eingang. Kannst du einen holen, während Deborah und ich alles vorbereiten?«
    Lindsay schlenderte den Gang hinunter und bemühte sich nach Kräften, den Eindruck besonderer Lässigkeit zu erwecken, bis sie die Rollstühle entdeckte, die Jane gemeint hatte. Mit der subtilen Raffinesse eines Inspektor Clouseau suchte sie einen aus, kämpfte ein wenig mit der Bremse und flitzte dann wieder zurück in den Seitenkorridor. Glücklicherweise gab es keine Zuschauer, denn so, wie sie vorging, hätte sie sogar bei der harmlosesten Schwesternschülerin Verdacht erweckt. Gemeinsam halfen Lindsay und Jane Deborah in den Stuhl und wickelten ein paar Krankenhausdecken um sie. Nachdem sie kontrolliert hatten, ob die Luft rein war, verließen sie den Raum. Jane begann, den Rollstuhl den gleichen Weg zurückzuschieben, den sie gekommen waren, aber Lindsay zischte: »Nein, hier entlang«, und dirigierte sie in die entgegengesetzte Richtung. Während eines früheren Besuchs hatte sie einen Schleichweg erkundet, der kürzer und weniger frequentiert war. Beim Bus angelangt, wurde Deborah innerhalb von Sekunden ins Fahrzeug gehievt. Jane bettete sie auf das breite Lager neben eine strahlende Cara.
    Sogar eine derart kurze Aktion hinterließ Spuren bei Debs, die müder und abgespannter wirkte als noch wenige Augenblicke zuvor. Jane rückte die Polster hinter dem Rücken der Kranken besonders sorgfältig zurecht, um sie so gut wie möglich abzustützen. Trotzdem konnte Deborah ein leises Stöhnen nicht unterdrücken, als sie eine bequeme Position für ihren Kopf suchte. Cara wirkte etwas verängstigt, aber Jane beruhigte und überredete sie, sich auf der anderen Seite der Koje still hinzulegen. Lindsay ließ den Rollstuhl auf seinem Platz stehen und kletterte auf den Fahrersitz.
    Günstigerweise fiel ihr Aufbruch mit dem Ende der Besuchszeit zusammen. Vor der Klinik hatte sich bereits eine Autoschlange gebildet: Verwandte und Freunde verließen nach erfolgter Pflichterfüllung den Schauplatz ihrer Übung in Nächstenliebe. Lindsay fuhr im Strom mit, um dann – mit Blick im Rückspiegel – eine Runde durch die kleinen Gassen der Fordhamer Altstadt zu drehen. Sie glaubte Rigano, daß er sein Wort halten würde, aber bei Harriet Barber war sie sich da nicht so sicher. Nach zehn Minuten Verwirrspiel hatte Lindsay sich davon überzeugt, daß ihnen niemand folgte und fuhr nun in Richtung MG. Sie blieb neben dem Wagen stehen und drehte sich um zu ihren Mitfahrerinnen.
    »Wir haben eine lange Reise vor uns. Ich denke, mit dem Bus werden wir ungefähr zwölf Stunden brauchen. Wir fahren mit beiden Fahrzeugen, damit ich euch den MG dort lassen kann. In der Gegend, in die wir fahren, braucht ihr ein gutes Getriebe, außerdem muß ich mir den Bus eine Weile ausborgen. Ich schlage vor, wir wechseln irgendwann in der Mitte, Jane, so in der Nähe von Carlisle?«
    »Okay, aber bei jeder Raststätte machen wir Halt, damit ich Deborahs Zustand überprüfen kann«, erwiderte Jane.
    »Wo fahren wir denn hin, Lin?« erkundigte sich Deborah mit müder Stimme.
    »Eine alte Schulfreundin hat ein Cottage in der Nähe von Invercross, wo ich aufgewachsen bin. Sie ist Lehrerin und zur Zeit auf einem sechsmonatigen Austauschprogramm in Australien, und da hab’ ich vereinbart, daß du das Haus benutzen darfst. Es ist herrlich dort, nur zehn Minuten vom Meer entfernt. Strom, Propangas zum Kochen, Fernsehen, offener Kamin – alles, was das Herz begehrt. Und keiner wird dich dort suchen. Cara kann sogar in die Dorfschule

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