Das Netz Der Grossen Fische
bekannt?«
»Absolutes Stillschweigen. Es heißt sogar, dass Scimone gar nicht mehr in Italien sei.«
»Was bedeutet das? Hat er etwa Angst?«
»Wer weiß das schon. Er hat verlautbaren lassen, dass er in Urlaub gefahren sei, um Fragen, Interviews und Telefonanrufen zu entgehen.«
»Mit einem Wort: Wir müssen warten.«
»Warten scheint die Parole dieser Tage zu sein. Aber du wirst schon sehen, ab morgen kommen ein paar Namen in Umlauf.«
Haargenau das, was der Senator ihm gesagt hatte.
Und apropos Senator, jetzt wusste er auch, wie dieser in Erfahrung gebracht hatte, dass Alfio an seinem, Micheles, Stuhl sägte: Unter den Freunden seines Gegners Filippone hatte er mit Sicherheit den einen oder anderen Spitzel eingeschleust.
Offen blieb dagegen die Frage: Wie hatte er herausgefunden, dass er Giuditta vögelte? Und wenn es der Senator wusste, konnten es dann nicht auch andere wissen?
Das gefiel ihm überhaupt nicht. Wenn er die Vor- und Nachteile gegeneinander abwog, war es wohl das Beste, wenn er es beim nächsten Treffen zum Bruch kommen ließ.
Der Tag verlief alles in allem ziemlich ruhig. Um fünf Uhr, als die Nachmittagssitzung gerade angefangen hatte, rief Scandaliato an.
»Ich hab eine Erklärung von Avvocato Troina aufgenommen, der Manlio zur Anhörung des Haftrichters begleitet hat.«
»Was hat er dir gesagt?«
»Dass er volles Vertrauen zu der professionellen Gewissenhaftigkeit und der moralischen Integrität Gallettos habe.«
»So was sagen die doch immer.«
»Ich erlaube mir, dir zu widersprechen, Direttore. Das ist keine allgemeine Vertrauensäußerung, der Hinweis auf die moralische Integrität des Haftrichters ist keineswegs üblich, denn eigentlich setzt man die moralische Integrität der Herren Richter doch wohl als gegeben voraus, sie steht sozusagen außer Frage.«
»Also, was heißt es dann im Klartext?«
»›Lieber Galletto, ich weiß, dass du ein grundanständiger Mensch bist, also enttäusch mich nicht, indem du das Spiel der anderen mitspielst.‹ Sozusagen eine freundschaftliche Ermahnung in aller Gelassenheit. Was sagst du dazu? Meinst du, wir sollten das bringen? Meines Erachtens …«
Doch Michele war nicht an Marcellos Meinung interessiert. Und er hatte keine Lust auf Diskussionen.
»Wir machen’s so: Wenn die Anhörung des Haftrichters mit der Bestätigung der Haft endet, lassen wir Troinas Erklärung nicht raus. Wenn er die Haft aber nicht bestätigt, dann lassen wir sie raus.«
»Einverstanden.«
Marcello rief um sieben wieder an.
»Die Anhörung ist in diesem Augenblick zu Ende gegangen, sie hat fast zwei Stunden gedauert. Galletto hat erklärt, er werde seine Schlussfolgerungen morgen am späten Vormittag bekanntgeben. Er will eine Nacht darüber schlafen. Was soll ich tun?«
»Nichts.«
»Was heißt ›nichts‹?«
»Nichts. Lass dich vor dem Gerichtsgebäude aufnehmen und sag, dass nach zweistündiger Anhörung und so weiter und so fort …«
»Und das Interview mit Troina?«
»Werden wir nicht senden.«
»Aber wieso denn nicht? Du hast doch gesagt …«
»Marcè, die Situation hat sich verändert. Jetzt können Troinas Worte eine andere Bedeutung bekommen.«
»Und das heißt?«
»Entschuldige mal, aber hast du mir nicht selbst erklärt, dass der Satz dem Sinn nach eine Aufforderung an den Haftrichter wäre, sich nicht auf das Spiel der anderen einzulassen?«
»Schon, aber was meinst du damit?«
»Da Galletto sich Bedenkzeit für die Entscheidung vorbehalten hat, könnten Troinas Worte in diesem Zusammenhang wie ein unangemessenes Druckmittel wirken.«
»Aber waren sie das denn nicht vorher auch schon?«
»Schon, aber der Druck wurde angesichts der bevorstehenden Anhörung ausgeübt, versuch das doch zu verstehen. Das war wie ein froher Wunsch, der nach dem Ende des Verhörs keine Bedeutung mehr gehabt hätte. Aber für sich genommen, ganz ohne jeden Zusammenhang, ändert sich die Tonlage.«
»Wie du meinst.«
Sobald der Vorspann des Nachrichtenjournals ablief, rief Giuditta ihn auf dem Handy an. Er überlegte einen Augenblick, ob er rangehen sollte oder nicht, dann entschied er sich dafür und nahm das Gespräch entgegen.
»Hör zu, ich bin jetzt mit Agnese weg, daher kann es sein, dass mein Handy ausgeschaltet ist, wenn …«
»Ich wollte dich auch gerade anrufen«, log er.
»Ich wollte dir nur schnell sagen, dass Alfio morgen in aller Frühe losfährt. Er hofft, zu den Abendnachrichten wieder zurück zu sein. Also, wie wollen wir es
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