Das Netz Der Grossen Fische
ein politischer Vorteil?«
»Auch das ist wahrscheinlich. Oder eben beides zusammen. Aber sag nicht ›war‹, sag einfach ›ist‹.«
»Wieso?«
»Weil es durchaus möglich ist, dass Nino Sacerdote weiterhin auf seine Kosten kommt, obwohl seine Tochter tot ist. Oder gerade weil seine Tochter umgebracht worden ist.«
»Das versteh ich nicht.«
»Manchmal versteh ich mich selber nicht, Direttore. Mach dir nichts draus: Das sind doch nur so ’n paar Gedanken, die mir durch den Kopf gehen.«
Er stürzte sich auf eine Riesenportion frittierter Fische, die für vier gereicht hätte.
»Lädst du mich übermorgen noch mal zum Abendessen ein?«
»Hast du mir denn noch etwas zu sagen?«
»Übermorgen bin ich vormittags mit Stefania verabredet. Dieses Mädchen macht einfach keinen glaubwürdigen Eindruck auf mich.«
»Muss ich dir diese Überstunden etwa extra bezahlen?«
»Klar. Aber heute Abend gibst du mir schon das vereinbarte Honorar. Ich hab doch gute Arbeit geleistet, oder?«
»Ausgezeichnete Arbeit. Hast du irgendwelche Neuigkeiten über Manlios Verhaftung?«
»Es gibt ’n paar Gerüchte.«
»Erzähl mir davon.«
»Di Blasi hat das Hemd und die Kleidungsstücke, die Manlio am Tag von Amalias Ermordung angehabt hat, an die Spurensicherung der Carabinieri geschickt, obwohl das Hemd schon gewaschen worden war. Der Staatsanwalt ist ja der festen Überzeugung, dass da irgendwo Blut draufgespritzt ist.«
»Hat die Spurensicherung geantwortet?«
»Scheint so, und wie es aussieht, hat Di Blasi aufgrund dieser Antwort Manlios Inhaftierung veranlasst. Das ist das hartnäckigste Gerücht.«
»Entschuldige mal, Manlio hat doch gleich, nachdem er die Leiche entdeckt hatte, angerufen. Wenn ein paar Blutflecken auf seinem Hemd waren, hätten die das denn dann nicht gemerkt?«
»Bonanno ist überzeugt, dass Manlio nicht sofort angerufen hat. Er sagt, der junge Mann habe sich umgezogen, nachdem er Amalia ermordet hatte, und sei dann in die Wohnung seiner Verlobten zurückgekehrt. Er habe also nur so getan, als wäre er gerade erst angekommen.«
»Erzählt man sich sonst noch was?«
»Ja, es sieht so aus, als hätte Bonanno herausgefunden, dass Amalia den Aschenbecher erst vor ein paar Tagen für die neue Wohnung gekauft hat.«
»Dann hätte Stefania ja doch recht gehabt.«
»So sieht es aus. Aber es könnte noch eine andere Erklärung für die Verhaftung geben.«
»Welche?«
»Dass Di Blasi zu diesem Schachzug gezwungen war. Dass jemand ihm gesagt hat, eine einfache Ermittlungsbenachrichtigung würde nicht ausreichen und Manlio müsse verhaftet werden.«
»Wieso denn das?«
»Hab ich doch schon gesagt, das sind nur so ’n paar Ideen, die mir durch den Kopf gehen.«
»Und wie kommt es, dass Troina sich überhaupt nicht dazu äußert?«
»Ich glaube nicht, dass er keine Erklärung abgibt, weil ernichts zu sagen hat. Wart’s ab. Mir kommt es gerade eher so vor, als ob alle stillhalten und auf irgendetwas warten. Sie schwimmen gegen den Strom.«
»Wie meinst du das?«
»Heutzutage gibt es doch kein Verbrechen mehr in unserem Land, das nicht gleich zur Unterhaltungsshow im Fernsehen wird. Der Verteidiger, der den Anwalt der Nebenkläger anschnauzt, der Kriminologe, der eine andere Meinung vertritt als der Staatsanwalt, der Journalist, der das Gegenteil von dem behauptet, was sein Kollege von einer anderen Zeitung schreibt, der Psychologe … Hier dagegen nur vereinzelte Erklärungen in knappen Worten, keine Polemiken, und kein Einziger, ausgenommen Resta, ergreift Partei. Die völlige Stagnation. Zumindest an der Oberfläche, denn es ist ja immerhin möglich, dass es darunter nur so brodelt. Hör mal, wie wär’s, wenn du mir noch ’n Whisky spendierst?«
Neun
Als Caruso ins Residence-Hotel zurückkehrte, fühlte er sich ziemlich müde. Es war ein sehr anstrengender Tag für ihn gewesen. Während er sich auszog, dachte er noch einmal über die Unterhaltung mit Gabriele Lamantia nach.
Die Geschichte von Amalias unsichtbarem Liebhaber war eine verdammt ernst zu nehmende Sache, etwas, das die Ermittlungen in eine völlig andere Richtung lenken konnte. Wie war es möglich, dass weder Bonanno noch Di Blasi auf die Idee gekommen waren, mehr über das Privatleben einer jungen Frau wie Amalia herauszufinden, die doch niemandem Rechenschaft über ihr Leben ablegen musste und daher frei war, zu tun und zu lassen, was sie wollte? Darüber konnten sie doch auch die Lo Curtos befragen. Es war doch ganz normal,
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