Das Netz Der Grossen Fische
fast um vor Sehnsucht nach dir. Ich küsse dich, amore.«
Es war früher schon vorgekommen, dass eine ihrer Verabredungen geplatzt war, weil Alfio plötzlich umdisponiert hatte. Bei diesen Gelegenheiten hatte Giuditta ihren Mann mit wüsten Beleidigungen nur so überschüttet.
»Na, endlich merkt der mal, dass er Hörner auf dem Kopf sitzen hat.«
»Den drücken wohl gerade gewaltig die Hörner, und er braucht eine Verschnaufpause …«
Warum wirkte sie dieses Mal lediglich bekümmert, ja resigniert?
Womöglich hatte Filippone ihr ja in der gemeinsam verbrachten vergangenen Nacht etwas mitgeteilt, und Giuditta hatte es mit Einverständnis ihres Geliebten Alfio weitergesagt. Worauf der eilig zurückkam. Damit er vor Ort war, wenn der Kampf losging.
»Direttore, Marcello fragt, ob Sie zu ihm in den Schneideraum kommen könnten. Es ist fast eins, ich gehe dann jetzt zum Essen.«
»Ja, geh nur, Cate.«
»Und Sie? Soll ich Ihnen ein belegtes Brötchen mitbringen?«
»Danke, aber ich hab keinen Appetit.«
Er stand auf, verließ das Büro, ging den Korridor entlang und stieg in den Aufzug, der ihn zu den Schneideräumen brachte.
Zehn
»Als Erstes«, sagte Scandaliato, »hör dir mal Gallettos Erklärung an.«
Der Haftrichter war ein spindeldürrer Mensch von eindeutig nervöser Wesensart. Eine Brille mit Goldrand, Ziegenbärtchen und eine beinahe feminine Stimme vervollständigten das Bild.
Ich habe den Beschluss gefasst, die Inhaftierung von Signor Manlio Caputo nicht zu bestätigen und folglich seine sofortige Haftentlassung anzuordnen, weil die vom Staatsanwalt gegebenen Begründungen in keiner Hinsicht von Beweisen gestützt werden, die eine so restriktive Vorgehensweise rechtfertigen würden. Damit stehen die Indizien jedoch weiterhin im Raum. Ich füge auch noch hinzu, dass es sich dabei um Indizien handelt, die bei eingehenderer Bewertung kaum restriktive Maßnahmen nach sich ziehen würden, wenn sie nicht gar jeglicher juristischer Handhabe entbehren.
»Durfte der Haftrichter eigentlich so weit gehen, diesen letzten Satz zu sagen? Hältst du das nicht für übertrieben?«
»Sicher, das war übertrieben und unangebracht. Er kann ja die Arbeit des Staatsanwalts ruhig mutwillig torpedieren, aber er darf nicht behaupten, dass Manlio unschuldig ist oder zumindest beinahe.«
»Warum hat er es dann also getan?«
»Weißt du, es ist nicht das erste Mal, dass Galletto übers Ziel hinausschießt. So ist er eben. In einer Situation wie dieser ist er vielleicht nicht der richtige Mann. Er muss wegen der Unhaltbarkeit der Haftbegründung geschäumt haben.«
Oder er ist eben gerade der richtige Mann am richtigen Ort, dachte Michele.
»Du wirst sehen, dass Di Blasi sich äußern wird. Er hat ja auch allen Grund dazu«, fuhr Marcello fort.
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
Das Telefon klingelte, der Techniker nahm ab und reichte den Hörer an Michele weiter.
Es war Alfio.
»Ich bin gleich da.«
Was bedeuten sollte: Wartet auf mich, ehe ihr irgendetwas entscheidet.
»Wo bist du?«
»In einer knappen Stunde bin ich da.«
»Okay. Und Troinas Erklärung hast du?«, fragte Michele, als er den Hörer auflegte.
»Ja, aber es ist nichts von Belang.«
Massimo Troina wirkte seltsamerweise ganz anders, als Michele ihn sich unter diesen Umständen vorgestellt hatte.
Seine Miene war finster, und er lächelte nicht.
Ich habe dem von Haftrichter Dottor Galletto Gesagten nichts hinzuzufügen.
»Was soll denn das?!«, fragte Michele erstaunt. »Galletto entlastet Manlio mehr oder weniger, und Troina wirkt enttäuscht?«
»Na ja, das musst du verstehen. Galletto hat ihm die Show gestohlen. Hier steht der Verteidiger nicht besser da als der Haftrichter.«
»Ich glaube nicht, dass das der einzige Grund ist.«
»Was denn sonst noch?«
»Ich glaube, Troina ist durch Gallettos Worte klargeworden, dass die Dinge sich nicht so verhielten, wie es aussah.«
»Kannst du mir das erklären?«
»Ich stelle dir eine Frage. Weißt du, wer in diesem Augenblick der Zufriedenste von allen ist, abgesehen von Manlio natürlich?«
»Sein Vater, der Abgeordnete Caputo.«
»Den hatte ich jetzt gar nicht auf der Rechnung. Klar ist der froh über die Haftentlassung seines Sohnes. Nein, ich glaube, der Zufriedenste von allen ist eigentlich Staatsanwalt Di Blasi.«
»Was sagst du da?! Di Blasi steckt doch jetzt so richtig in der Scheiße!«
»Und wenn schon. Das heißt dann eben, dass er ein ausgiebiges Bad nimmt und sich danach
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