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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Zuhilfenahme von Sesa Minas »Schlüssel«, gelang es ihr innerhalb weniger Herzschläge, den Schriftzug zu entziffern.
     
    WEGEN EINSTURZGEFAHR GESCHLOSSENE CLAIMS
     
    Nachdem dieses Rätsel gelöst war, ergab sich schon das nächste Problem.
    »Wie kommen wir da nur rein?«
    Sesa Mina, die sich inzwischen wieder gefasst hatte und gerade mit dem Reinigen ihres Fells beschäftigt war, hielt kurz inne und erwiderte: »Lies das Schild vor.«
    »Das Schild?« Stella blickte zweifelnd auf den verstümmelten Text. »Wie soll ›Ege instu gefa eschl…‹«
    »Ich meine natürlich den ganzen Satz«, unterbrach sie das Frettchen, schon wieder einem neuen Anfall nahe.
    Stella wusste zwar nicht, wohin sie dieses absurde Spiel noch führen würde, aber sie tat Mina den Gefallen. Sobald sie den ursprünglichen Text des Schildes laut ausgesprochen hatte, hörte sie zuerst ein leises Klicken, dann sprang die Tür etwa drei Fingerbreit auf.
    Ein kalter Schauer lief Stella über den Rücken. »Komische Schlösser haben die hier«, sagte sie, hauptsächlich um sich selbst Mut zu machen.
    »Lass uns doch mal sehen, was sich hinter der Tür verbirgt.«
    Sesa Mina war schon in dem Kabinett, ehe Stella die Tür überhaupt zu fassen bekam. Unter lautem Knarren zog sie selbige an einem Eisenring weit genug auf, um dem Frettchen zu folgen.
    In dem Archiv herrschte beinahe ein ebensolches Durcheinander wie auf den Fluren und in den übrigen Räumen draußen. In der Lichtkugel der Öllampe sah Stella weitere Bücher, Rollen, gebündelte Manuskripte und immer wieder eingebrochene Regalböden.
    »Wegen Einsturzgefahr geschlossene Claims«, murmelte sie vor sich hin. »Man hätte lieber die letzten sieben Buchstaben weglassen sollen: Wegen Einsturzgefahr geschlossen. Selbst wenn das Kagee hier irgendwo ist, brauchen wir Wochen, um es zu finden.«
    »Deine Ungeduld ist ja nicht zum Aushalten«, tadelte Sesa Mina ihre Herrin. »Sieh mir einfach eine Weile zu. Ich werde für dich suchen.«
    Stella seufzte, und weil sie nicht wusste, wo sie zuerst hätte anfangen sollen, zog sie sich eine kleine Trittleiter heran, befreite sie vom ärgsten Staub und ließ sich darauf nieder.
    Zum ersten Mal konnte sie Sesa Mina bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, der Jagd nach verborgenen Wegen und Worten, aus nächster Nähe beobachten. Dabei machte Stella eine erstaunliche Entdeckung. Das Frettchen beschäftigte sich nicht etwa mit dem Inhalt der Folianten und Rollen, der Aktendeckel und Loseblattsammlungen, sondern strich nur mit seinen Tasthaaren über deren Einbände und Titelblätter hinweg. Mehr nicht.
    »Aber wie willst du denn wissen, ob sich das Kagee in einem der Dokumente befindet?«, fragte Stella nach einer Weile sprachlosen Staunens. Ihr waren inzwischen ernste Zweifel am Sinn von Minas Vorgehen gekommen.
    »Instinkt«, war alles, was Sesa Mina antwortete. Dann tastete sie sich weiter.
    Wieder musste Stella längere Zeit warten und erneut wurde sie von heftigen Zweifeln heimgesucht. »Aber das führt doch zu nichts, Mina! Du schlägst doch nicht mal die Bücher auf, über die du hinwegstreichst.«
    Das Frettchen hielt inne und blickte von einem der oberen Regalbretter tadelnd auf Stella herab. »Kannst du mir vielleicht sagen, wie ich das machen soll? Die dicken Folianten zu deinen Füßen da wiegen so viel wie zwanzig Iltisse zusammen.« Dann setzte sie ihre Suche fort.
    Stella seufzte einmal mehr und widmete sich der Pflege ihrer Fingernägel, was sie aber bald wieder wegen des schwachen Lichts der Ölfunzel aufgab. Notgedrungen verfolgte sie weiter Sesa Minas Erkundungsgang durch die Regale.
    Inzwischen – Stella hielt es nicht für abwegig, dass sie allmählich Spinnweben ansetzte – hatte das Frettchen das vierte Regal im Raum erreicht. Sesa Mina begann wie immer von unten. Hier waren wieder einmal zwei Regalböden durchgebrochen und die dicken Wälzer mit amtlichen Einträgen über Grubenunglücke, Wassereinbrüche und instabile Gesteinsschichten lagen zuhauf auf dem Boden herum. Sesa Minas Barthaare schienen die Folianten kaum zu berühren. Fast schon hatte sie die Papierruine zur Gänze erkundet, als sie plötzlich verharrte.
    Der jähe Stillstand des Frettchens ließ Stella aus ihrem Dämmerzustand erwachen. »Was ist? Hast du ein Staubkorn in die Nase bekommen?«
    »Hier«, sagte Sesa Mina nur. »Komm und sieh selbst.«
    Stella sprang von ihrer aus nur zwei Stufen bestehenden Leiter und kniete sich zu Sesa Mina. Der weiße Iltis saß auf

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