Das Netz der Schattenspiele
Unternehmens zu freuen.«
Stella bemerkte den seltsamen Unterton in der Stimme ihres Vaters. »Hast du irgendeinen Verdacht, was den Italiener betrifft?«
Mark war sich nicht sicher, ob er aussprechen sollte, was ihn bis zu Stellas Erwachen so sehr beschäftigt hatte. Auch später – während er seiner Tochter fasziniert beim Dezimieren einer Riesenpizza zugesehen hatte – waren seine Gedanken immer wieder zu demselben Punkt zurückgekehrt. Als sie dann anschließend zu ihrem allabendlichen Spaziergang aus dem Bunker unter Bau 203 gestiegen waren, hatten Stellas Erzählungen seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Doch nun… Mark seufzte. Er hatte sich entschieden. Stella sollte sich auf sein Vertrauen verlassen können.
»Es ist wirklich nur ein Verdacht«, sagte er zaghaft. »Und ich erzähle es dir nur, weil ich keine Geheimnisse vor dir habe.«
Wenn Salomon nur wüsste, wie gut Stella seine Worte taten! »Ich kann den Italiener sowieso nicht ausstehen. Hat er dich wieder geärgert?«
»Es war mehr als das, Sternchen. Er hat sich ziemlich darüber aufgeregt, dass du sein schönes Sicherheitssystem umgangen hast (eigentlich war es ja der von mir modifizierte SKULL-Tester). Als er alle Register seines südländischen Temperaments gezogen hatte, ist ihm etwas herausgerutscht, was mich stutzig machte. Er sagte: ›Ihr verdammtes Kagee -Frettchen hat mein gesamtes Intruder-Projekt in Gefahr gebracht.‹ Ich kann mich noch an jedes Wort erinnern. Vor allem aber an das eine: Kagee- Frettchen.«
»Das hast du, glaube ich, irgendwann mal zu mir gesagt.«
»Stimmt. Ich musste lange darüber nachdenken, bis mir wieder einfiel, wann. Es war jedenfalls nicht hier oben, als ich dir während unseres Spaziergangs die Veranschaulichung mit dem Frettchen erklärte.« Salomon blieb stehen und sah Stella fest in die Augen. »Korrigiere mich, falls ich mich irre. Ich habe dieses Wort nur einmal gebraucht: Heute früh, als ich dich geweckt habe.«
Stella blickte in das Gesicht ihres Vaters, zuerst fragend, dann grübelnd und zuletzt ungläubig. »Aber das hieße ja…!«
Salomon nickte. »Dass DiCampo tatsächlich unser Privatquartier abhören lässt. Entweder hat er selbst gelauscht oder er hat das Abhörprotokoll gelesen. Da aber die Weckzeremonie eines Vaters wohl kaum ein besonders wichtiges Ereignis ist, mit dem ein Abhörspezialist seinen Auftraggeber langweilen würde, denke ich, hat er persönlich am Kopfhörer gehangen. Verstehst du jetzt, warum ich bei deinem Traum-della-Valle zuerst an DiCampo gedacht habe?«
»Ich fass es nicht!«
»Im Grunde hatte ich ihn ja schon von Anfang an unter Verdacht. Es gibt da einige Ungereimtheiten, die mir in den letzten vier Tagen aufgefallen sind. Ich glaube, es wird Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen.«
»Wie meinst du das?«
»Hast du mir nicht zu Hause beim Packen meiner Aluminiumkoffer zugesehen? Ich habe neben den Notebooks noch ein paar nette Kleinigkeiten mitgebracht. Du kennst ja meine Vorsicht. Falls sich eine drahtlose Wanze in unserem Quartier befindet, dann kann ich diese aufspüren und mit einem Störsender funktionsunfähig machen.«
»Du hast eine ganze Radiostation mitgebracht?«, fragte Stella ungläubig.
Salomon musste grinsen. »Weißt du eigentlich, wie sehr du, was Übertreibungen anbelangt, deiner Mutter ähnelst? Nein, es ist kein Radiosender im herkömmlichen Sinne. Solche Apparaturen gehören durchaus zu der normalen Ausrüstung von Computeranwendern in sicherheitssensiblen Bereichen. Allerdings, wenn ich es mir recht überlege, werde ich in einem Bunker mit meterdicken Wänden wohl auf keine funkgestützte Abhöranlage stoßen. Tippe eher auf das gute alte Kabel. Ich werde mich mal etwas tiefer in das Netzwerk unseres undurchsichtigen Freundes einklinken. Glaube mir, wenn er uns belauscht, kriege ich es raus.«
Stella saß mit untergeschlagenen Beinen auf ihrem Bett und sah wie gebannt ihrem Vater beim Herumhantieren mit diversen Kabeln, Klemmen, Plastikboxen und seinen Notebooks zu. Salomon hatte ihr eingeschärft, seine Tätigkeit in keiner Weise zu kommentieren. Sie sollte vielmehr »ganz normale Wohngeräusche« machen – was man auch immer darunter verstand.
Nach der Rückkehr vom Spaziergang hatte sie zunächst geduscht. Es war ungefähr neun Uhr abends. Sie fühlte sich noch immer zerschlagen wie nach einem langen, schlimmen Alptraum. Aber die Erfrischung unter der Brause hatte die Nachwirkungen ihrer Cyberspacereise
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