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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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mit Viviane verheiratet gewesen. Nicht zuletzt deswegen hielt sich seine Frau nun schon über ein Vierteljahr auf dem Anwesen ihrer Familie in Branford auf. Seinen Beteuerungen, es würde alles anders werden, hatte sie immer weniger Vertrauen entgegengebracht. Er konnte es ihr kaum verdenken. Aber wenn Viviane jetzt nicht mehr zurückkäme…!
    Ein weiterer Beinaheunfall ließ Mark den Gedanken entgleiten. Nein, noch hatte er alles im Griff, den Straßenverkehr und auch sein Leben. Für eine gemeinsame Zukunft der Familie war es noch nicht zu spät. Die finanzielle Grundlage hierfür hatte er bereits geschaffen. Sie bestand hauptsächlich aus SKULL, dem Sicherheitssystem, das auf seiner bisherigen Forschungsarbeit fußte. Aber wenn seine neue Firma am 1. Oktober erst ihre Arbeit offiziell aufnahm, würde es neben diesem seriösen Produktzweig ja noch den anderen geben, einen im wahrsten Sinne des Wortes »spielerischen«. Und an diesem hing Marks Herz.
    Mit Kagee wollte er eine neue Generation von Computerspielen ins Leben rufen. Kagee war eine Art Such- und Abenteuerspiel, das seinen Anfang im eigenen PC nahm und auf das gesamte Internet ausgedehnt werden konnte. Auf unterschiedlichsten Rechnern rund um den Globus ließen sich dann so genannte »Schattenworte« oder Kagee s verstecken, die es zu finden galt. Jeder dieser Begriffe war der Schlüssel für weitere Verstecke. Das Ziel des Spiels bestand darin, über eine Kette von Kagee s einen Mitspieler, Schatz oder ein anderes Suchobjekt ausfindig zu machen. Dabei konnte sich ein Teilnehmer allein auf die Suche begeben oder mit und gegen andere Partner antreten, die sich an einem beliebigen Punkt des Erdballs befanden. Jeder, der einen entsprechend ausgestatteten PC und einen Anschluss ans Internet hatte, konnte sich an einer Kagee -Runde beteiligen.
    Mark schmunzelte. Als Abschiedsgeschenk für seine Kollegen an der Uni hatte er sich eine besondere Überraschung ausgedacht. Er wollte eine speziell präparierte Version von Kagee in das Uni-Netz einschleusen. Dem Anwender – neugierige Sekretärinnen oder gelangweilte Studenten – würde es sich zunächst als ganz normales Computerspiel präsentieren. Aber diese Kagee- Version war mehr als nur das. Sie gehörte zu einer Gattung von Programmen, die man als »trojanische Pferde« bezeichnete. Solche Trojaner verbargen unter der Tarnhaut ihrer offensichtlichen Funktion ein geheimes Innenleben.
    Marks Spezial- Kagee war ein Virus. Nein, kein Computervirus, der irgendwelche Daten zerstören oder andere Schäden anrichten sollte. Es war nur ein Abschiedsgruß, der am letzten Vorlesungstag auf allen Bildschirmen erscheinen würde. Nach einem dramatischen Vorspiel allerdings: Zuerst würden sämtliche Buchstaben und Ziffern in den Bildschirmfenstern zerbröckeln und zu Boden rieseln, dann sollten sich die Fenster wie leckgeschlagene Schiffe zur Seite neigen, worauf der Buchstabengries durch ein Loch aus dem Rahmen rann. Danach würden alle Monitore für genau elf Sekunden so finster sein wie das Meer in einer sternlosen Nacht. Zuletzt konnten die erschrockenen Bildschirmbenutzer seine persönliche Grußkarte lesen, die sich aus der dunklen See an die Oberfläche der Monitorscheibe gehoben hatte, erst unklar und verschwommen, aber am Ende deutlich lesbar.
    Anschließend sollten die Geräte wieder funktionieren wie bisher. Vom Spiel selbst blieb in den Rechnern nur eine Signatur zurück, gewissermaßen eine Visitenkarte, die schlicht aus dem japanischen Wort Kagee bestand. Dieser Hinweis lag Mark ganz besonders am Herzen, wollte er doch mit seinem Versuchsvirus keinen Schaden anrichten, sondern nur auf die Verletzlichkeit von Computersystemen hinweisen – so ganz nebenbei war diese Demonstration noch eine Werbemaßnahme, sowohl für sein neuestes Sicherheitsprogramm SKULL wie auch für das Kagee- Spiel selbst.
    Endlich bog der Volvo in die Tristanstraße ein. Marks Gedanken kehrten zu dem zurück, was ihn bereits während der Vorlesung beschäftigt hatte. Wenn er sich nur erinnern könnte! Hatte er das Chaos nun abgeschlossen oder nicht? Sein kleiner Überraschungsgruß für die TU-Kollegen war noch nicht ganz fertig. Im gegenwärtigen Stadium durfte das Programm auf keinem Rechner aktiviert werden, der eine Verbindung zum Internet besaß.
    Von unguten Vorahnungen getrieben jagte Mark den Volvo über den Asphalt. Er betätigte den Sender für das automatische Tor der Auffahrt. Als er die sich öffnenden Flügel erreichte,

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