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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sollte ja gerade dazu dienen, sensible Daten zu schützen. Und nun saßen da zwei Männer in seinem Büro, deren Lächeln so unecht wirkte wie das von Finanzbeamten und die ihm schonend beizubringen versuchten, dass der BND gern die SKULL-Technologie für »gewisse eigene Zwecke« einsetzen würde.
    Mark hatte rundweg abgelehnt. Er war einem Tobsuchtsanfall nahe gewesen – gesundheitlich nicht ganz unbedenklich. Zwar unübersehbar brüskiert, aber dennoch einen letzten Rest unterkühlter Höflichkeit wahrend, hatte er die beiden Beamten aus dem Institut komplimentiert. Aber sie waren zurückgekommen. Diesmal hatten sie mit Professor Landrup, dem Dekan des Fachbereichs Informatik gesprochen. Irgendwie musste es ihnen gelungen sein, diesen eigentlich integren Wissenschaftler zur Mitarbeit zu bewegen.
    Jedenfalls war Mark der ganze Umfang der Verschwörung erst fünf Wochen später aufgefallen. Durch Zufall erhielt er Einsicht in den Briefwechsel zwischen Landrup und dem Bundesnachrichtendienst. Der BND hatte um Klärung einiger technischer Details gebeten. Mit anderen Worten: Den Herren Geheimdienstlern waren Marks Forschungsergebnisse nicht verständlich genug dokumentiert. Als Landrup ihn damals zu einem zwangslosen Gespräch in sein Büro eingeladen und für kurze Zeit den Raum verlassen hatte, war Marks ziellos umherwandernder Blick auf ein Schriftstück mit seinem Namen gefallen. Der Briefkopf stammte vom BND. Es war für Mark unmöglich gewesen wegzusehen. Er hatte den Bogen aus einem Stapel anderer Post gezogen und schnell überflogen. Als Professor Landrup wieder in sein Büro zurückkam, empfing ihn ein sehr ungehaltener Mitarbeiter.
    Mark hatte weiter geblockt, sogar damit gedroht, seine gesamte Forschungsarbeit einzustellen oder an ein anderes Institut zu wechseln, das seine ethischen Prinzipien eher zu würdigen wisse. Der Streit war nie bis zu Ende ausgefochten worden. Nur wenige Tage später erlitt Landrup im Franklingebäude der TU einen Schlaganfall. Er verstarb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.
    Während der Volvo über die Avus sauste, wunderte sich Mark einmal mehr über die seltsame Funkstille, die sich danach eingestellt hatte. Weder der Nachfolger von Professor Landrup noch der Bundesnachrichtendienst waren in der Angelegenheit wieder bei ihm vorstellig geworden.
    Damit hatte die Zeit begonnen, in der Marks Misstrauen fast mit jedem Tag anwuchs. Wochenlang blickte er beim Autofahren öfter als notwendig in den Rückspiegel. Am Telefon vermied er jedes vertrauliche Wort. Nie erhielt er für seinen Verdacht eine Bestätigung und dennoch fühlte er sich beobachtet, belauscht, beschnüffelt. Sogar zu Hause.
    Während dieser Wochen erhielt das Chaos seine gegenwärtige Ausstattung, es wurde zur High-Tech-Festung. Weil jedes elektronische Gerät verräterische Strahlung aussendet, verwandelte Mark sein Büro kurzerhand in einen Faradaykäfig und installierte zudem einen Störsender. Er investierte auch eine nicht unerhebliche Summe in so genannte Tempest-Computer, die allgemein als abhörsicher galten. Natürlich wusste er, dass für einen mit praktisch unbegrenzten Mitteln ausgestatteten Geheimdienst selbst diese Schutzmaßnahmen nur ärgerliche Hindernisse waren, die sich mit entsprechendem technischem Aufwand überwinden ließen. Aber der Gedanke, seine Forschungsergebnisse könnten vielleicht zu einem Zweck verwendet werden, der seinen Zielen genau entgegengesetzt war, erschien ihm unerträglich. Jeder Mensch und – vielleicht mit einigen Einschränkungen – auch jedes Wirtschaftsunternehmen hatte ein Recht auf eine geschützte eigene Sphäre. Keine Institution dieser Welt sollte so mir nichts, dir nichts in diesen Privatbereich eindringen dürfen. Und schon gar nicht mit Marks Hilfe! Deshalb wollte er nichts unversucht lassen, damit seine Arbeit nicht in falsche Hände geriet.
    Mark betätigte den Blinker, wechselte auf die Abbiegespur und ließ das Tempo des Wagens auf fünfzig herabsinken. Vielleicht war er manchmal Viviane und vor allem Sternchen gegenüber zu schroff gewesen, wenn er ihnen den Zugang zum Chaos verwehrte. Dieser quälende Gedanke hatte sich allmählich zu einem richtigen Schuldkomplex verfestigt. Auch deswegen war er zu dem Entschluss gekommen sich beruflich zu verändern und dadurch vielleicht sogar dem BND ein Schnippchen zu schlagen.
    Hoffentlich hatte er den Absprung in ein neues Leben nicht bereits verpasst. In den vergangenen Jahren war er mehr mit seiner Forschung als

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