Das Netz der Schattenspiele
haben bisher irgendwelche konkreten Aussagen gemacht, die man wirklich untersuchen könnte.«
»Und wenn ich etwas Konkretes, Nachprüfbares hätte?« Jessicas Grübchen waren jetzt wieder deutlich zu erkennen.
Marks Augen schienen um das Doppelte anzuwachsen. »Sie haben wohl wieder Ihre Kontakte zur kriminellen Szene genutzt, was?«
Jessica verstand den Scherz und lachte. »Für die NSA mag es ja durchaus ›kriminell‹ sein, wenn man eines der sichersten Verschlüsselungsverfahren unbrauchbar macht – dabei stammt der Algorithmus nicht einmal von der Behörde.«
»Das hat man anfangs von den S-Boxen des DES-Algorithmus auch gedacht. Aber um die Sache abzukürzen: Wenn Blowfish wirklich geknackt werden kann, ohne dass man den gesamten Schlüsselraum absuchen muss…«
»… dann könnte ein böswilliger Cracker einige Millionen Jahre früher an seine Beute gelangen«, vervollständigte Jessica lächelnd.
»Also gut, Sie haben gewonnen. Warten Sie, heute haben wir Mittwoch, den dreizehnten. Morgen… Nein, übermorgen, am Freitag, kann ich nachmittags etwas Zeit für Sie erübrigen. Aber um sechs muss ich zu Hause sein.«
»Die Tochter futtern?«
»Sie könnten Ihrem Professor gegenüber ruhig ein wenig respektvoller sein.«
Jessica schmunzelte. »Ich weiß, ich weiß, Salomon. Ich bin gerade zwei Jahre älter als Stella. Ich könnte die ältere Schwester Ihrer Tochter sein. Ich bin jünger als jede Mitarbeiterin, die je ein Professor an der TU gehabt hat, und besitze nicht einmal ein Diplom… Habe ich noch irgendetwas vergessen?«
»Sie haben die wichtigsten Punkte präzise aufgezählt.«
»Also dann am Freitag?«
»Ist gut. Sagen wir um drei in meinem Büro. Ich bin schon gespannt. Machen Sie’s gut, Jessi.«
Während Mark seinen Volvo durch den Berliner Straßenverkehr lavierte, dachte er lächelnd an Jessica Pollock. Er hatte nichts dagegen, wenn sie ihn ab und zu neckte. Das Mädchen hatte wirklich eine Menge auf dem Kasten. Schon während ihrer Schulzeit hatte sie Computerkurse für Erwachsene abgehalten. In einer Fachzeitschrift für Kryptographie hatte er zum ersten Mal ihren Namen gelesen. Mit gerade einmal vierzehn Jahren war sie imstande gewesen ein Programm zu entwickeln, das die Entschlüsselung eines alten mesopotamischen Keilschrifttextes ermöglichte. Er erinnerte sich deshalb noch so gut daran, weil er exakt zur selben Zeit den ersten Kontakt mit diesen nichts sagenden Gesichtern gehabt hatte…
Ein lautes Hupen ließ Mark das Lenkrad herumreißen. Gerade noch rechtzeitig. Ohne dass er es gemerkt hatte, war sein Wagen nach rechts abgedriftet. Ein paar Meter weiter und er hätte das Fahrzeug in der Nebenspur angerempelt. Als er den Volvo wieder zwischen den weißen Fahrbahnmarkierungen auf Kurs gebracht hatte, glitten seine Gedanken erneut in die Vergangenheit ab.
Er hatte es noch nie besonders gern gesehen, wenn Sternchen sich seiner Computerized Home Approved Office Section näherte. Selbst für Viviane war das Chaos mehr oder weniger tabu. Aber nachdem ihm vor knapp vier Jahren von diesen ausdruckslosen Herren ein Besuch abgestattet worden war, hatte sich seine anfängliche Überempfindlichkeit regelrecht in eine Manie verwandelt.
Die Männer waren vom Bundesnachrichtendienst gekommen. Irgendjemand im Institut musste geplaudert haben. Mark betätigte den Blinker und bog links in den Messedamm ein. Er lächelte und berichtigte sich: Unsinn, eine Universität war kein Geheimdienst wie der BND oder die amerikanische National Security Agency. Ohne Frage gab es auch einen Wettbewerb zwischen den verschiedenen Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen rund um den Globus. Wissenschaftler, die nicht im Sold des Militärs, eines Geheimdienstes oder Wirtschaftsunternehmens standen, waren eine äußerst geschwätzige Gattung. Sobald einer dieser Spezies einen bedeutenden Schritt vorangekommen war, drängte es ihn, einen Fachartikel oder ein Buch über seine Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. Selbst wenn der Bundesnachrichtendienst oder die international tätige National Security Agency keine Telefonleitungen oder Internetverbindungen anzapften, konnten sie sich ohne großen Aufwand Informationen über sein Projekt SKULL beschaffen.
Als die BND-Beamten damals das Interesse ihrer Behörde an Marks Forschungsergebnissen zum Ausdruck gebracht hatten, glaubte dieser zunächst in einen schlechten Agentenfilm geraten zu sein. Sein Security Keeping Universal Learning Lock
Weitere Kostenlose Bücher