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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hinterher.
    Die vormalige Tür der Bibliothek bestand nur noch aus einem Haufen Holzspäne. Stella sprang darüber hinweg. Im selben Moment gab es ein zweites Bersten, lauter noch als das erste. Sie folgte dem Geräusch. Diesmal würde sie sich nicht abhängen lassen. Im Laufen befahl sie Sesa Mina, die Fährte des Lindwurms zu verfolgen.
    Als Stella den Tempel der Wissenschaft durch die zerstörten Torflügel des Hauptportals verließ, lagen zwei benommene Wachen auf dem Treppenabsatz. Sie waren völlig überraschend von den nach außen gesprengten Flügeln getroffen worden und begannen gerade erst wieder sich zu regen. Stella stürzte nach links, in die Richtung, die Sesa Mina ihr wies.
    Nun begann erneut das alte Spiel: Der Drache eilte voran und sie hinterher. Sonderbarerweise benutzte er nicht seine Fledermausflügel, um fliegend über die Dächer zu entkommen. Vielleicht wusste er um die Treffsicherheit von Stellas Speer. Sie hatte schon mehrere Gelegenheiten zum Wurf ungenutzt gelassen, ganz bewusst, aber je länger das Hakenschlagen in den engen Gassen Masinofs dauerte, desto entschlossener wurde sie, ihre Beute wenigstens kampfunfähig zu machen.
    Immer häufiger liefen Stella und ihre schneeweiße Fährtensucherin über Straßen und Plätze, die von aufgeregten Menschen bevölkert waren. Bewaffnete huschten an ihr vorbei, zumeist schwarz gewandete Wissenschaftler, die mit allem möglichen und unmöglichen Kampfgerät gegen die nahenden Eroberer stürmten. Offenbar verfügte Masinof gar nicht über eine reguläre Armee, sondern nur über eine kleine Sicherheitstruppe, die von der jetzigen Situation vollständig überfordert war.
    Wie aufgewirbelte Blätter im Sturm flogen diese Eindrücke an Stella vorüber. Sie hatte nur die Schwanzspitze des Lindwurmes im Visier. Dort, wo das Schuppentier belebte Straßen überquerte, löste es Panik aus. Die Leute schrien, einige wenige Gelehrte machten sich Notizen. Die meisten liefen jedoch kopflos in alle Richtungen davon, was Stella die Verfolgung nicht eben erleichterte.
    Wieder einmal kam sie aus einer schmalen Gasse hervor, um eine breitere Straße zu überqueren, als sie voller Schrecken die enesaischen Truppen nur wenige Häuer weiter bemerkte. Schon war Stella in der nächsten Gasse verschwunden, dem Drachen auf der Spur. Doch nun wusste sie, dass die Zeit knapp wurde. Jeden Moment konnte der Lindwurm den Soldaten des Statthalters in die Hände fallen, oder – und das bereitete Stella fast noch mehr Kopfzerbrechen – sie würde wieder einen Anfall bekommen.
    Sie musste sich entscheiden. Sollte sie den Speer schleudern?
    »Nach rechts«, rief ihr Sesa Mina von der Schulter her ins Ohr. Stella preschte in die Gasse. Einen Steinwurf weit voraus war der Drache jetzt ganz deutlich zu erkennen. Und dahinter sah Stella den Turm.
    Eine riesige Nadel, wie ein Dorn aus dem Boden ragend, gemauert aus glatten Blöcken, weiß wie Elfenbein. Am breiten Fundament des Turmes befand sich eine zweiflüglige Tür. Nach oben hin verjüngte sich das Bauwerk, bis die Spitze in den zarten Wolkenschleiern verschwand.
    Mit einem Satz sprengte der Drache die eisenbeschlagene Pforte und entkam in das dunkle Gebäude.
    »Er will ganz hinauf«, keuchte Stella.
    »Wenn er sich von dort oben absetzt, dann verlieren wir ihn wieder«, gab Sesa Mina erstaunlich ruhig zurück.
    »Das kann ich nicht zulassen.« Noch war Stella einen halben Steinwurf von dem Elfenbeinturm entfernt. Sie musste an die herannahenden Truppen Enesas denken, an den Brief des Lindwurmbundes, tausend Dinge wirbelten ihr durch den Kopf…
    »Ich tu’s!« Ich will dich nicht töten, sagte sie dabei in Gedanken. Sie hatte sich eine Stelle am Flügel des Drachen ausgesucht, wo sie ihn sicher nicht ernstlich verletzen würde. Dann schleuderte sie den Speer.
    Der schwarze Schaft mit der glänzenden Spitze zischte davon. Stellas Schritte verlangsamten sich, während sie ihrer Waffe nachblickte. Die Lanze flog mitten in das aufgebrochene Portal hinein und verschwand ebenso in den Schatten wie zuvor der Drache.
    Schwer atmend kam Stella zum Stehen. Sie lauschte, hörte aber nur das eigene Keuchen. Der Speer konnte sein Ziel nicht verfehlen…
    Da erhob sich ein langer klagender Schrei. Der Laut ließ Stella das Blut in den Adern gefrieren. Er schien überhaupt nicht von einem Drachen oder einer anderen wilden Kreatur zu stammen, sondern klang wie das vielstimmige Kreischen einer verängstigten Schar von Kindern.
    Entschlossen

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