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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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durchsichtig wie klares Eis. Die Veränderung war so überraschend gekommen, dass Stella kaum reagieren konnte.
    Sie fühlte, wie eine unsichtbare Kraft an ihr zog. Gleichzeitig drehte sich der Wirbel vor ihren Augen immer schneller. Das konnte unmöglich einer jener Erschöpfungsanfälle von früher sein. Es zog sie unerbittlich nach unten. Stella taumelte Stufe um Stufe zurück. Der Körper des Jungen vor ihr begann zu verschwimmen. Aber sie wusste, sie durfte ihn noch nicht verlieren. Nicht jetzt!
    In einer letzten verzweifelten Anstrengung rammte Stella ihren Speer der Länge nach quer zwischen die Wände des Aufgangs. Verbissen klammerte sie sich an dem Ebenholzschaft fest. Schon wurden ihre Füße von der geheimnisvollen Kraft weggerissen, die wie ein Sturm durch den Turm tobte, aber sie ließ den Speer nicht los.
    »Komm zu uns, Stella!«, rief Brainar ihr verzweifelt zu. Er stand noch immer an seinem Platz, streckte aber Hilfe suchend seine kleine Hand nach ihr aus. »Bitte lass uns nicht im Stich. Aber du musst allein kommen! Sonst geschieht ein großes Unglück. Wir können es nicht länger ertragen, Stella. Wenn du uns nicht hilfst, dann werden wir uns morgen um diese Zeit von dem Schmerz befreien. Vergib uns für das, was dann geschieht…«
    In diesem Moment zerbarst der Schaft des Speeres. Während Stella in die Tiefe gerissen wurde, sah sie noch, wie der Knabe sich umwandte und zur Spitze des Elfenbeinturmes hinauflief. Gleich darauf wurde das Wirbeln um sie herum unerträglich. Sie stürzte und stürzte, fiel immer weiter hinab in einen dunklen bodenlosen Abgrund.
    Und dann wurde es auf einmal ganz still.

 
    EINE VERBORGENE BOTSCHAFT
     
     
     
    Weil es im Inneren des Trucks zu wenig Platz für alle Mitglieder des Cyberworm-Teams gab, hatte man im Bau 20 d einen Raum mit mehreren Videomonitoren ausgestattet, über die man die wichtigsten Details von Stellas Reise live mitverfolgen konnte. Die meisten Team-Angehörigen waren anwesend. Einer allerdings fehlte.
    Mark zermarterte sich das Gehirn, worin Alban C. DiCampos nächster Schritt bestehen würde. Ungeachtet des Nachdrucks, mit dem der Projektleiter einen weiteren Ausflug Stellas in den Cyberspace durchgefochten hatte, glänzte er nun durch Abwesenheit. Mark gefiel das überhaupt nicht, obwohl es ihn kaum überraschte. Vielmehr war es eine Bestätigung dessen, was die letzten Minuten schon hatten vermuten lassen.
    Vor ungefähr einer halben Stunde war Mark mit seiner Tochter am Intruder-Truck eingetroffen. Man hatte sie schon erwartet, denn kurz zuvor waren die letzten Tests der Anlage erfolgreich abgeschlossen worden.
    Mark verfolgte mit unguten Gefühlen, wie Stella die Traumdroge verabreicht wurde. Gwen versicherte, man habe die geringstmögliche Dosis gewählt. Anschließend komplimentierte sie den besorgten Vater aus dem mit Technik vollgestopften Container. Hier drinnen sei es viel zu eng, meinte sie. Es würde seiner Tochter nichts nützen, wenn er der Intruder-Mannschaft im Wege stehe – ganz im Gegenteil.
    Auf dem Weg ins Building 20 d war Mark dann Agaf begegnet. Der Teamleiter zog ihn in eine ruhige Ecke, die von dem allgegenwärtigen Sicherheitspersonal nicht eingesehen werden konnte.
    »Ich habe gerade unfreiwillig ein Gespräch zwischen DiCampo und McMulin belauscht«, flüsterte der Afrikaner.
    »Der Rote John!«, hauchte Mark. »Ich dachte, der sei gar nicht mit nach Boston geflogen!«
    »Offensichtlich doch. McMulin hat seinem Chef in einer ›Besorgnis erregenden Angelegenheit‹ Bericht erstattet. Es geht um die verschlüsselten Gespräche Stellas im Chat Room von Black Sun. Offenbar ist es den NSA-Analytikern gelungen, Stellas Geheimsprache zu entschlüsseln. Ich habe mich sowieso schon gewundert, weshalb sie so lange dafür brauchen.«
    Mark fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Vermutlich weil die NSA nur über wenige Mitarbeiter verfügt, die sowohl Deutsch sprechen wie auch den Berliner Dialekt einigermaßen beherrschen.« Er zischte etwas Unverständliches, um dann wütend fortzufahren: »Warum konnten sie sich nicht etwas mehr Zeit dafür lassen? Ein, zwei Tage hätten schon genügt.«
    »Es kommt immer anders, als man denkt.«
    »Jedenfalls wissen sie jetzt, wie lange wir schon über die Gefährlichkeit des Intruders informiert sind. Aber was noch schlimmer ist: Stellas Kontakt zum Dunklen Lauscher ist nun kein Geheimnis mehr.«
    »Das Ganze wird dem Doktor überhaupt nicht gefallen.«
    Mark nickte grimmig. »Die

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