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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gehört?«
    Der Archivar schüttelte langsam den Kopf. »Dieses Wort sagt mir gar nichts. Tut mir Leid.«
    »Und von ›Genesis‹? Geht Euch dabei irgendein Licht auf?«
    Die sich weitenden Augen des Archivars waren Antwort genug. Sogleich wurde er unruhig. Er zog Stella am Ärmel noch ein wenig tiefer in die Regalschlucht hinein und flüsterte: »Ihr sprecht von einem großen Geheimnis. Habt Ihr schon einmal etwas vom ›Netz der Kinder‹ gehört?«
    Gerade wollte Stella mit Nein antworten, als ihr das Kinderlachen in den Sinn kam, jener unheimliche Chor hoher Stimmen, der sie jedes Mal dann zu verhöhnen schien, wenn der Lindwurm ihr wieder einmal entkommen war. »Könnte schon sein. Warum fragt Ihr danach?«
    Der Archivar wurde nun immer nervöser. Sein Adamsapfel machte einen Satz, bevor er antwortete. »Sie haben etwas Ungeheuerliches getan.«
    Die Worte ließen Stella erschauern. »Was ist geschehen? Wenn es mir helfen kann, den Drachen zu finden, dann heraus damit!«
    »Ihr müsst das Brain Array suchen!«, flüsterte der Archivar eindringlich. »Ich bin überzeugt, Ihr werdet es finden. Ihr seid vielleicht die Einzige, welche die herannahende Katastrophe noch verhindern kann.«
    »Aber…« Stella rang verzweifelt nach Worten. »Wie kann ich eine Gefahr abwenden, wenn ich nicht einmal weiß, woher sie kommt oder worin sie besteht? Könnt Ihr Euch nicht etwas deutlicher ausdrücken?«
    »Ich habe schon viel zu viel gesagt. Hier haben die Wände Ohren. Vergiss alles Blendwerk und suche nach dem Netz der Kinder, dem wahren Geneses. Es sollte ein neuer Anfang werden. Aber sie haben die Kontrolle über den Plan verloren. Jetzt könnte dieser Neubeginn schrecklicher werden als in unseren schlimmsten Alpträumen…«
    Ein Geräusch – es kam aus nächster Nähe – ließ den Archivar zusammenfahren. Seine ängstlichen Augen lagen noch für einen Moment auf Stellas Gesicht, ein stummes Flehen, dann wirbelte er herum und verschwand hinter dem Bücherregal.
    »Wartet!« Stella lief ihm hinterher. Doch als sie den Gang am Stirnende des Regals erreichte, war er leer. Sie lauschte. Nicht einmal Schritte waren zu hören. Der Archivar schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
    Plötzlich vernahm sie wieder diesen anderen Laut. Ein leises Schaben, als schleife eine Plane über den Boden. Stella huschte wieder ein Stück in den Gang hinein. Sie wagte kaum zu atmen. Da befand sich tatsächlich noch jemand in der Bibliothek! Vorsichtig spähte sie über die Buchrücken hinweg in den Nachbargang. Sie konnte nichts entdecken. Auch das schwache Kratzen war verschwunden.
    Vielleicht hatte sich der unsichtbare Lauscher genauso wie der Archivar aus dem Staub gemacht. Gerade wollte sich Stella ein befreites Aufatmen gestatten, als sie eine Bewegung im übernächsten Gang wahrnahm.
    Ihre Nackenhaare sträubten sich. Obwohl der freie Spalt zwischen den Regalbrettern und den aufgestellten Büchern nur sehr schmal war, glaubte sie den Schatten wieder zu erkennen: Es war der Lindwurm!
    »Na warte!«, sagte Stella leise zu sich selbst. Sesa Mina hatte sich nach dem Verschwinden des Archivars kurz gerührt, doch jetzt verhielt sie sich wieder vollkommen ruhig. Stella senkte die Spitze ihres Speeres und hielt ihn schleuderbereit. Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, sie dürfe nicht voreilig handeln, aber sie war auf alles gefasst.
    Leise schlich sie zum Ende des Regals zurück und näherte sich dem Gang, in dem der Schatten lauern musste. Sie sah für einen Moment zur hohen Decke empor. Hier gab es keine Luken, durch die der Wurm entkommen konnte. Sie wischte noch einmal den Schweiß von der Innenfläche ihrer Wurfhand. Jetzt befand sie sich auf Höhe des nächsten Ganges. Nur noch wenige Schritte und sie würde dem Lindwurm gegenüberstehen.
    In diesem Moment brach der Schemen hervor.
    Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Anspannung schrak Stella zusammen. Diesen Augenblick, nur einen Wimpernschlag lang, nutzte der Drache für seine Flucht. Während er den bogenförmigen Quergang entlangstürzte, von dem die Regalreihen abzweigten, begann er zum ersten Mal Farbe anzunehmen. Stella glaubte einen langen grünen Echsenkörper mit einem roten Rückenkamm zu sehen. Dann ertönte das Krachen von splitterndem Holz. Zuletzt entwischte das herzförmige Schwanzstück nach draußen.
    All das hatte nur den Bruchteil eines Augenblicks gedauert. Langsam gewann Stella ihre Fassung zurück. »Jetzt oder nie!«, zischte sie und rannte dem Lindwurm

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