Das Netz der Schattenspiele
Ansichtskarte vom Dark Listener hat DiCampo einen gehörigen Schrecken eingejagt – auch wenn er es nicht zugeben wollte. Ich wünschte nur, wir wüssten endlich, was dieser ominöse Hacker mit seiner Warnung gemeint hat! Hast du vielleicht noch mitbekommen, wie der Italiener jetzt vorgehen will?«
Agafs Gesicht wirkte wie versteinert. »DiCampo sagte, sie müssten bei der nächsten Gelegenheit handeln. Mehr hat er leider nicht verraten.«
»Wir sollten das herausbekommen, unbedingt! Ich gehe jetzt in den provisorischen Beobachtungsraum. Es würde mich wundern, DiCampo dort zu sehen. Können wir uns in zwanzig Minuten irgendwo draußen auf dem Campus treffen? Hier gibt es mir zu viele aufmerksame Ohren.«
»Natürlich, was hast du vor?«
»Ich bringe mein Notebook und das Satellitentelefon mit. Und dann werde ich mich unbemerkt ins Web begeben. Ich glaube, es gibt sogar einen Weg, auf dem ich mich notfalls ins Intruder-Netz schleichen kann.«
Agaf schüttelte energisch den Kopf. »Das ist unmöglich. Das ganze Campusnetz ist von der Außenwelt abgeschnitten.«
Ein diebisches Lächeln stahl sich auf Marks Gesicht. »Habe ich dir eigentlich schon erzählt, dass man mich auch den Cracker nennt…?«
Das Gespräch mit Agaf lag nun exakt acht Minuten zurück. Auf dem Monitor konnte man sehen, wie Stellas Arme, manchmal sogar ihre Beine zuckten – sie musste gerade einen sehr aufregenden Abschnitt des Wachtraums durchleben. DiCampo hatte sich noch immer nicht blicken lassen. Unauffällig verdrückte sich Mark.
Unter dem Vorwand, er müsse wegen seiner Arbeit jederzeit und überall auf Programme und Daten zurückgreifen können, trug Mark ständig eine leichte Kunststofftasche mit sich herum, in der sich eines seiner Notebooks und das Iridium-Telefon befanden. Mit dieser Ausrüstung hätte er von jedem Punkt der Welt aus tun können, was er nun vorhatte.
Wenige Minuten später betrat er Bau 14. Aus vier Einzelgebäuden bestehend, besaß der ganze Komplex die Form eines Quadrats. In ihm befanden sich die Hayden Memorial Library und ein ganzes Sammelsurium anderer Bibliotheken, Archive und Dienstleistungsabteilungen des MIT. Im Zentrum des Karrees lag ein begrünter Innenhof. Hier hatte er sich mit Agaf verabredet.
»Findest du das nicht ein bisschen auffällig?«, fragte der Afrikaner, als er Mark beim Aufbau seiner Ausrüstung zusah.
»Hier trägt jeder einen Computer oder irgendwelche verrückten Gerätschaften mit sich herum. Im MIT ist das Herumspielen mit elektronischem Schnickschnack die natürlichste Sache der Welt.«
»Du willst mir doch nicht etwa weismachen, dass jeder Student ein eigenes Satellitentelefon besitzt?«
»Ein normales Handy sieht auch nicht sehr viel anders aus und die gibt’s hier wie Sand am Meer. Außerdem will ich zunächst überhaupt nicht ins Web.«
»Was hast du dann vor?«
Der Gedanke war Mark seit der heimlichen Unterredung mit Agaf ununterbrochen durch den Kopf gegangen: Was wusste der Dunkle Lauscher über Agafs Projekt?
Marks Finger flogen unglaublich schnell über die flache Tastatur. Gleich darauf erschien die virtuelle Ansichtskarte des Lauschers am Bildschirm. Er las noch einmal die Botschaft. Vor allem ein Satz interessierte ihn.
»Hier«, sagte er aufgeregt und zeigte auf die betreffende Stelle im Text. »Er schreibt: ›Sieh dir meine Grußkarte genau an – du weißt, was ich weiß.‹«
»Und?« Agaf verstand nicht, worauf Mark hinauswollte. »Dieser Scherzbold tut ja gerade so, als habe er uns eines dieser Suchbilder geschickt, wie man sie in den Illustrierten findet. Unten steht immer: ›Gewinnen Sie einen Besuch in Disney World. Wo sind die drei Fehler versteckt?‹«
Marks Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Herzlichen Glückwunsch zum Hauptgewinn, Agaf! Genau das habe ich mir nämlich auch gedacht und bin dann zu einem interessanten Schluss gelangt. Ich glaube, Lauscher wollte uns mit seinen Worten etwas sagen.«
»Du meinst, Dr. DiCampo.«
»Nein, uns. Wenn er will, dass wir uns die Karte genau ansehen, dann sollten wir das auch tun.«
»Mark«, Agaf konnte seine Ungeduld nur schwer im Zaum halten. »Ich habe kein kryptoanalytisches Gehirn wie du. Ich sehe nur eine Fotografie vom Bau 203 des NSA-Areals in Fort Meade. Der Dunkle Lauscher muss ein Insider sein – das haben wir schon ausführlich diskutiert. Wenn du mich fragst, dann ist diese elektronische Postkarte ziemlich geschmacklos. Wenn du aber noch irgendetwas anderes
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