Das Netz der Schattenspiele

ein Geheimnis um das Chaos gemacht habe.«
    Stella wurde hellhörig. Sie musste unvermittelt an das Kagee- Spiel denken. »Unser Haus ist nicht gerade Fort Knox. Was passiert, wenn jemand einbricht und einfach all deine Computer abtransportiert?«
    »Selbst das wäre noch keine Katastrophe.« Mark lächelte. »Ich bin doch nicht umsonst Kryptologe. Erstens habe ich die wichtigen Komponenten meiner Software so verschlüsselt, dass sie für einen etwaigen Dieb ohne Zugangscode völlig unbrauchbar sind, und zweitens bewahre ich einige der Hauptmodule an einem geheimen Ort auf. Nur wer also meinen Code entschlüsseln kann und alle Module in seinen Besitz bringt, könnte damit Schaden anrichten.«
    »Ganz schön raffiniert! Aber hast du nicht einmal etwas von einem Spiel erwähnt? Kagee oder so ähnlich. Das hat doch nichts mit diesem SKULL-Programm zu tun, oder?«
    Mark schmunzelte. »Na schön, wenn ich schon dabei bin, dann kann ich dir ja auch gleich von diesem kleinen Geheimnis erzählen. Du hast Recht. Das Kagee ist eigentlich das Produkt, an dem mein Herz hängt.«
    »Was ist denn daran so besonders?«
    »Ich habe wohl schon mal erwähnt, dass ich dieses Wort in Japan während eines Kongresses aufgeschnappt habe. Es bedeutet so viel wie ›Schattenbild‹ und ist ein Such- oder Jagdspiel, je nachdem, aber keines von diesen Ballergames, wo am Ende der gewinnt, der am meisten Blut verspritzt hat. Das Kagee fordert den Intellekt!«
    »Bei mir in der Klasse gibt es viele, die ihren Kopf nur fürs Haareschneiden mit sich rumschleppen. Die dürften für dich als Kunden dann ja wohl ausscheiden.«
    »Da täusch dich mal nicht, Sternchen. Kagee ist alles andere als ein langweiliges Knobelspiel. Es steckt eine Menge Action darin. Man kann es auf einem einzelnen PC spielen, aber so richtig interessant wird es erst, wenn man es ins Internet hinauslässt.«
    »Wie soll das denn funktionieren?«
    »Die Aufgaben, die dem Kagee- Spieler gestellt werden – zum Beispiel das Finden eines Schatzes –, kann er nur lösen, wenn er sich im ganzen Internet umsieht. Sitzt der Spieler allein vor seinem Computer, versteckt das Kagee -Programm für ihn den Schatz. Aber auch mehrere Mitspieler rund um den Globus können eine Partie gemeinsam austragen. Auf diese Weise wird das Web zu einem Netz der Schattenspiele. Es gibt Jäger und Gejagte. Letztere suchen sich ein Versteck, das sie auch während des Spiels wechseln können, damit es für sie nicht langweilig wird. Sie hinterlassen dabei eine Fährte aus so genannten ›Schattenworten‹, den Kagee s. Jedes Kagee ist für die Jäger ein Mosaiksteinchen der endgültigen Lösung.«
    Stella kam das alles sehr vertraut vor. Dennoch war sie begierig zu erfahren, was noch in dem Spiel ihres Vaters steckte. »Ist das schon alles?«
    »Um sämtliche Feinheiten kennen zu lernen, musst du das Kagee wirklich selbst ausprobieren – ich verspreche dir, du wirst bald die Gelegenheit dazu haben. Man kann auch irreführende Spuren auslegen. Um sich selbst oder einen Gegenstand zu verstecken, bedient sich das Kagee- Spiel der verschiedensten Schaltstellen im weltweiten Netz – dir ist ja bekannt, dass man diese Dienstleistungscomputer auch Server nennt. Das Kagee kann so gut wie jeden Server als Versteck benutzen, der die Speicherung von Benutzer- oder Kundendaten zulässt.«
    »Kannst du ein Beispiel nennen?«
    »Klar. Nehmen wir den Nachrichtensender CNN. Er betreibt im Internet einen Server, also einen Computer, dessen Dienstleistung darin besteht, dass du ständig die letzten Neuigkeiten aus aller Welt von ihm abrufen kannst. Der Vorteil gegenüber einer Zeitung vom Kiosk besteht in der Vorauswahl, die CNN seinen Kunden anbietet. Du abonnierst also keinen Packen Papier, aus dem du erst umständlich die für dich wichtigen Artikel herausfischen musst, sondern kannst dich auf ausgewählte Interessengebiete spezialisieren.«
    »Und wie soll das gehen?«
    »Ganz einfach. In einer Art Menü legst du einmalig fest, welche Themenschwerpunkte für dich infrage kommen – sagen wir Sport, Börsenkurse und alles, was mit Kryptologie zu tun hat –, und bei der nächsten Anmeldung erhältst du dann deine Nachrichten gleich portionsgerecht serviert.«
    »Jetzt ist mir klar, was du meinst. Und was hat das Kagee damit zu tun?«
    »Das Spiel könnte die Anfangsbuchstaben aus den abonnierten Themen nutzen, um daraus ein Schattenwort zusammenzusetzen.«
    »Klingt ziemlich kompliziert.«
    Mark lächelte souverän.