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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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eingesetzt.«
    Mark machte einen betroffenen Eindruck. »Ich wusste nicht, dass du es so gesehen hast.«
    Stella hasste sich dafür, aber beinahe zwanghaft musste sie den Finger noch tiefer in Vaters Wunde bohren. »Denkst du, Mutter wird wirklich zurückkommen, wenn du ihr all das erzählst, was du mir gerade verraten hast?«
    Mark zögerte. »Ich hoffe es«, antwortete er schließlich. Seine Stimme klang traurig. Die Euphorie, mit der er eben noch über seine Arbeit gesprochen hatte, war in einem Augenblick verflogen. »Sobald ich meine letzte Vorlesung gehalten habe, werde ich in die Staaten fliegen. Du kommst natürlich mit. Wenn es mir nicht gelingt, Viviane wieder zu uns zurückzubringen, dann… dann…«

 
    DER AUSBRUCH
     
     
     
    Das Wochenende verbrachte Stella größtenteils vor ihrem Computer. Salomon saß unten im Chaos. Der Countdown für den Start seiner neuen Firma lief unaufhaltsam und er hatte noch Berge von Arbeit zu bewältigen.
    Immerhin sprach Stella mit ihrem Vater offen und so oft wie lange nicht mehr. Sie nahmen nun ihre Mahlzeiten gemeinsam ein und plauderten abends bis weit in die Nacht hinein. Dennoch blieb Stella genügend Freiraum, sich um die Sicherheit der Höhlenwelt zu kümmern.
    Am Freitag war sie nicht mehr imstande gewesen, die VR-Brille aufzusetzen, aber sobald ihr Vater samstags nach dem Frühstück im Chaos verschwunden war, aktivierte sie ihr Fenster in die Welt des Kagee.
    Draggy hatte sie schon sehnsüchtig erwartet. »Dahalefa bisthistlefist duhulefu jahalefa endhendlefendlichhichlefich«, brachte er unzweideutig seine Ungeduld zum Ausdruck.
    Stella entschuldigte sich. Gestern Abend, im Gespräch mit ihrem Vater, hätte sie ein solches Verhalten vermutlich unter der Kategorie »idiotisch« abgelegt, jetzt aber war schon wieder ihr Zimmer und die Welt außerhalb der alten Kalder-Villa vergessen. Es gab nur noch das Höhlenlabyrinth, nur noch das Kagee.
    Am Wochenende reinigte Stella das Felsenreich von Zogon, dem dunklen Herrscher der Asmaden. Dieser finstere Bursche hauste in einem unterirdischen Schloss und terrorisierte die Bewohner der Höhlen und Gänge – kleine Gnome, die an sich freundlich waren, mit denen Stella aber keinen engeren Kontakt pflegte – mit allerlei widerwärtigen Praktiken. Mal kochte er aus ihnen Eintopf, dann wieder verwandelte er sie in schleimige Wesen, die selbst einen unangenehmen Hang zum Kannibalismus zeigten. Derlei Eingriffe verstand Zogon als disziplinarische Maßnahmen gegenüber jedem, der ihm den Tribut versagte. Wer nämlich von seinen körperlichen Züchtigungen verschont wurde, dem saugte er sinnbildlich das Blut aus den Adern, indem er unerträglich hohe Abgaben verlangte oder für Geliehenes unerhörten Zins einforderte.
    Keine Frage, Zogon musste weg. Aber wie? Draggy lieferte die Antwort: Sieben Schlüssel mussten gefunden werden, um in Zogons Thronsaal vorzudringen und ihm ein für alle Mal das Handwerk zu legen. Mit Hilfe des Lindwurms schaffte Stella auch dies.
    Am Montag und Dienstag quälte sie sich wieder durch den Unterricht, um, kaum heimgekehrt, weitere schwere Prüfungen zu bewältigen. Eine sonderbare »Krankheit« ließ das Licht aus dem Asmadenreich verschwinden, langsam, aber scheinbar unaufhaltsam. Während Martha, die Haushälterin, unten mit den Unbilden eines Akademikerhaushaltes kämpfte, heilten Stella und Draggy oben das asmadische Licht von der Schwindsucht.
    Dann offenbarte der Lindwurm seiner Ziehmutter, dass eine alte Weissagung das Ende der Höhlenwelt durch einen Vulkanausbruch ankündige, und zwar ziemlich genau für Dienstag dieser Woche. Nur wenn sich sieben schneeweiße Laguschis fänden – dabei handelte es sich um eine Art gefiederter Flugeidechsen –, könne man dieses Unglück abwenden. Diesmal hatte Stella einige Mühe, die farblosen Flattertierchen aufzuspüren, doch wiederum mit Draggys Hilfe gelang ihr schließlich auch das.
    Mittwochmittag. Sieben Tage waren bereits vergangen, seit Stella ihre Beute aus dem Chaos davongeschleppt hatte, und der achte versprach ein neues aufregendes Abenteuer. Das Kagee schien unerschöpflich. Es wurde nie langweilig. Und Draggy war so wissbegierig wie eh und je.
    An diesem Tag gab es keine elektronische Post, abgesehen von einer Spam Mail, also einer Nachricht, die von einem Massenversender stammte. Die Betreffzeile stellte dem Empfänger in Aussicht innerhalb weniger Wochen reich zu werden. Stella löschte die Mail, ohne sie zu lesen.
    Als sie wieder

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