Das Netz der Schattenspiele
stieß einen leisen Schrei aus. Zum Glück hatte sie das Mikrofon abgestellt. Aus dem Hörer vernahm sie dann eine Weile lang nichts mehr, bis ihr Vater wieder zu sprechen begann.
»Ich kann mir das einfach nicht erklären. Spontan fällt mir nur eine Antwort zu Ihrem Bericht ein.«
»Ich bin gespannt.«
»Sie bringen das alles nur, um mich zur Zusammenarbeit zu bewegen. So wollen Sie an meinen SKULL-Tester herankommen.«
»Professor!« Nun klang die Stimme von Reithammer ernst und eindringlich. »Ich versichere Ihnen, dass wir Sie nicht zwingen werden, Ihre Forschungsergebnisse offen zu legen, wenn Sie es nicht selbst wünschen. Wir möchten uns nur Ihrer Kooperation versichern, um die Cyberterroristen zur Strecke zu bringen.« Als Salomon nicht sogleich antwortete, fügte der Beamte hinzu:
»Bedenken Sie, dass es trotzdem Ihre Software ist, die all das verursacht hat. Es würde Ihre Situation wesentlich verbessern, wenn Sie mit den Behörden zusammenarbeiteten.«
»Wie steht’s mit etwas Bedenkzeit?«, fragte Salomon nach einigem Zögern.
»Selbstverständlich, Professor. In gewisser Hinsicht verstehe ich Ihr Misstrauen sogar. Aber wir haben nicht sehr viel Zeit. Bis jetzt sind keine Bekennerschreiben zu diesen Vorfällen eingegangen. Wir wissen nur eines: Noch ist kein Kraut gegen diese Anschläge gewachsen. Man müsste schon das weltweite Computernetz zerreißen, um die weitere Ausbreitung der maliziösen Software zu unterbinden. Das käme einer Totalabschaltung aller Computer dieses Planeten gleich. Sie und ich wissen, was das bedeuten würde. Nahezu dasselbe, was wahrscheinlich auch die Terroristen mit ihren Anschlägen bezwecken, nämlich das Ende des Informationszeitalters. Es kämen nicht nur buchstäblich Millionen von Menschen ums Leben, sondern wir würden auch mit einem Schlag ins tiefste Mittelalter zurückgeworfen. Ich nehme nicht an, dass Sie das wünschen, Professor Kalder.«
Wenig später hatten die Beamten das Haus verlassen. Vorher vereinbarte man noch, sich alsbald telefonisch wieder in Verbindung zu setzen.
Stella erfuhr auf ihrem Horchposten, dass seit dem fünften Computeranschlag die Kagee -Signatur sonderbarerweise nicht mehr aufgetaucht war. Alle anderen Anzeichen wiesen aber auf den- oder dieselben Angreifer hin, insbesondere die spurlose Überwindung der verschiedenen Sicherheitssysteme der betroffenen Rechner.
Mark vertraute den beiden Beamten an, welche Pläne er mit seiner aktuellen Fassung des Kagee- Spieles verfolgte. Im derzeitigen Zustand gleiche es – von seiner Funktion her – einem Trojanischen Pferd. Unter dem harmlosen Äußeren eines Computerspieles verberge sich aber wesentlich mehr. Es enthalte wirklich noch den »Generalschlüssel«, den universellen Zugangsalgorithmus also, der aus dem SKULL-Tester stamme. Das Ganze sei als kleiner Abschiedsscherz für die Kollegen an der TU gedacht gewesen. Das Spiele-Programm hätte sich dann in einen Wurm verwandelt. Schnell wäre jeder Computer im Netz der Universität davon befallen gewesen. Da die einzelnen Rechner im Campusnetz durch so genannte IP-Nummern – ähnlich den Ziffernfolgen auf Pässen – eindeutig identifiziert werden konnten, wollte er den Nummernbereich des Spieles so festlegen, dass eine Verbreitung außerhalb der TU ausgeschlossen war.
Leider hätte er diese Eingrenzung des Programms noch nicht vorgenommen. Wenn es also jemandem gelungen wäre, das Spiel zu entwenden, dann bestünde zumindest die theoretische Möglichkeit, es auch in Malware zu verwandeln, in schädlichen Programmcode also. Eine derart mutierte Kagee -Software könnte sich dann durchaus im World Wide Web und auch in anderen Computernetzwerken verbreiten. Wie gesagt, das sei eine rein theoretische Möglichkeit, denn die so genannten »Quellcodes«, durch die ein Programm schnell zu verstehen und zu verändern sei, würden von ihm so gut wie unzugänglich aufbewahrt. Und ohne diesen Quellcode dauerte es Monate, wenn nicht Jahre, um das Programm durch ein Verfahren, das man Deassemblieren nannte, wieder in seinen Entstehungszustand zurückzuführen. Dann erst könne man dessen komplexe Struktur durchschauen.
Mark versprach gründlich darüber nachzudenken, was geschehen sein könnte und wie den Ermittlungsbehörden zu helfen sei. Nur eines dürften sie nicht von ihm erwarten: Dass er seine wertvollsten Geheimnisse preisgab.
»Ich muss dir was gestehen, Paps.«
Salomon lächelte, doch seine Augen wirkten nicht
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