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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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fielen ihr die weißen Laguschis ein, die gefiederten Flugechsen, und mit einem Mal war sie gar nicht mehr so sicher, ob es wirklich Anlass zur Entwarnung gab.
    Indessen berichtete im Fernsehen eine maskenhaft lächelnde Moderatorin von den neuesten Computerkatastrophen. Im größten Krankenhaus von Johannesburg habe das Rechnernetzwerk einen Totalzusammenbruch erlitten. Als man den Verbund wieder neu startete, glaubte man zunächst, alles sei in bester Ordnung. Dann machte man mehrere beunruhigende Entdeckungen. Ein Patient erwachte aus der Narkose und vermisste sein linkes Bein – eigentlich war er wegen einer Blinddarmoperation eingeliefert worden. Ein anderer Mann, an entzündeten Mandeln leidend, entging nur knapp einer Herztransplantation. Weniger glimpflich kam eine weitere Patientin davon, der – trotz des deutlichen Warnhinweises auf ihrem Krankenblatt – ein unverträgliches Antibiotikum verabreicht wurde. Sie erlitt einen allergischen Schock und konnte nicht mehr gerettet werden.
    Stella wagte nicht zu atmen. Sie hatte das Gefühl, Salomon müsste sich jetzt jeden Moment umdrehen und mit ausgestrecktem Finger anklagend auf sie deuten. In der Phantasie sah sie sogar schon das Puppengesicht der Moderatorin kalt und herzlos auf sich gerichtet, während sie den Zuschauern in gut akzentuiertem Deutsch verkündete: »Und für all das trägt eine gewisse Stella Kalder die Schuld, sechzehn Jahre, Schülerin, wohnhaft in Berlin…«
    »Geht es dir gut, Sternchen? Du siehst so blass aus.«
    Stella konnte nur mit Mühe ihren Blick vom Fernseher nehmen. Der Gedanke, vielleicht in irgendeiner Weise für den Tod dieser Patientin in Südafrika verantwortlich zu sein, war ihr unerträglich. Sie blickte in das Gesicht ihres Vaters, als sähe sie es zum ersten Mal. »Ich… nein…« Weiter kam sie nicht. Eines jedoch wurde ihr in diesem Augenblick klar. Sie durfte ihr Geheimnis nicht länger für sich behalten. Ihr Vater musste erfahren, was sie vor nun bald vier Wochen angestellt hatte.
    In diesem Moment klingelte es an der Haustür. Im ersten Moment erschrak Stella, aber dann begriff sie die Störung als Befreiung. Sie sprang von ihrem Stuhl hoch. »Ich mache auf.« Schon war sie aus dem Esszimmer verschwunden.
    Während sie die Diele mit großen Schritten durchmaß, hörte sie draußen die mechanische Stimme SESAMs. »Sie sind nicht identifiziert. Bitte ändern Sie ihre Gesichtshaltung und wiederholen Sie die Parole.«
    Stella öffnete die Haustür und erblickte zwei Männer mit nichts sagenden Mienen. Der eine, ein dürrer Großer mit röhrenartigem Hals und schütterem blondem Haar, blickte verwirrt auf das sprechende Fenster in der Edelstahlplatte. Der andere, dunkelhaarig, vollbärtig, eher klein und mit einem Oberkörper wie ein Bierfass, versuchte sich vergeblich in einem Lächeln, bevor er zu Stella sagte: »Das Gartentor war offen.«
    »Und was wollen Sie?«, fragte Stella, der die beiden Herren nicht geheuer vorkamen. Der Schlanke trug einen grauen Anzug in langweiligem Karomuster, der Untersetzte – jener, der mit nicht zu verleugnendem bayerischem Akzent zu ihr gesprochen hatte hielt ein einfarbiges blaues Sportjackett über der Schulter.
    »Wir möchten gerne mit deinem Vater reden… Du bist doch Stella Kalder, nicht wahr?«
    »Warten Sie hier.« Stella ließ die Haustür ins Schloss fallen und kehrte ins Esszimmer zurück. »Paps? Da stehen zwei Typen vor der Tür.«
    »Jetzt? Um halb acht Uhr morgens? Was für Typen denn?«
    »Keine Ahnung. Zwei nichts sagende Gesichter eben.«
    Stella merkte, wie sich der Körper ihres Vaters anspannte. Ohne noch etwas zu erwidern, erhob er sich und verließ den Raum. Stella folgte ihm bis zur Esszimmertür und schielte von dort in die Diele hinaus.
    »Sie wünschen bitte?«, begrüßte Salomon die beiden Männer, nachdem er die Haustür geöffnet hatte.
    »Mein Name ist Reithammer, Josef Reithammer«, antwortete der Sportsakkoträger. »Wir kommen vom Bundesnachrichtendienst. Mein Kollege hier heißt Siegfried Hartmann. Dürfen wir hereinkommen, Professor Kalder?«
    »Kann ich Ihren Wunsch auch ablehnen?«
    »Sagen wir, es würde das Verfahren unnötig in die Länge ziehen; am Ergebnis dürfte sich nicht viel ändern.«
    »Dachte ich mir. Dann kommen Sie bitte herein, meine Herren.«
    Stella sah durch den Türspalt, wie die beiden Beamten des BND eintraten. Reithammer, der mit dem blauen Sakko, steckte in die Innentasche desselben gerade ein schwarzes

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