Das Netz der Schattenspiele
Sicherheitsmaßnahmen treffen, um sich vor solch einem Fall zu schützen?«
»Ja natürlich, und das tut man bereits, Sternchen. Wirklich! Zwar immer noch viel zu zaghaft, aber man gibt sich alle Mühe. Leider mit eher bescheidenem Erfolg.«
»Ich surfe zwar täglich im Internet, aber was sich wirklich dahinter verbirgt, ist mir bis heute nicht ganz klar. Du hast gestern einen Vergleich mit dem Wilden Westen gezogen. Wie war das gemeint?«
»Das Internet war am Anfang vor allem eine Einrichtung, die von Universitäten und Forschungsinstituten genutzt wurde. Ungehinderter Informationsaustausch gehört in der akademischen Welt zu den ehernen Prinzipien. Als dann die Wirtschaft das Web für sich entdeckte, brach regelrecht Goldgräberstimmung aus. Mancher erhoffte sich unerschöpfliche Reichtümer aus dem Netz der Netze. Wie beim richtigen Goldrausch in den USA Ende des letzten Jahrhunderts wollen auch heute viele mit unredlichen Mitteln schnell reich werden. Etliche Regierungen sehen deshalb das Internet als rechtsfreien Raum und wollen es durch strengere Gesetze reglementieren. Die Pioniere des Netzes laufen dagegen natürlich Sturm. Ich persönlich glaube auch nicht, dass staatliche Regeln die Lösung des Problems sind, wenn auch aus anderen Gründen.«
Stella runzelte fragend die Stirn.
»Die Vereinigten Staaten, das Land des Wilden Westens, besaßen eine der fortschrittlichsten Verfassungen«, präzisierte Salomon. »Es gab auch durchaus brauchbare Gesetze. Leider scherten sich die meisten nicht darum. Man schlachtete Indianer ab, versklavte Schwarze und nahm das Recht in die eigene Hand, wann immer nur Gelegenheit dazu war.«
Die Stewardess bot den beiden Kalders Getränke an. Salomon entschied sich für ein Mineralwasser. Stella nahm eine Cola.
»Und wie willst du solche Wildwestverhältnisse im Internet unterbinden, Paps?«
»Indem ich die Gelegenheiten reduziere. Es gibt ja technische Vorkehrungen, um einen Missbrauch des Netzes einzuschränken.«
»Du meinst Programme wie dein SKULL?«
»Zum Beispiel. Man könnte aber auch die Firewalls sicherer machen.«
»Die was?«
»So nennt man spezielle ›Schutzwände‹ aus Software, die verhindern, dass ungebetene Gäste in einen Server eindringen oder vertrauliche Informationen herausgeschmuggelt werden.«
»Feuerwände«, wiederholte Stella nachdenklich. Ihre Augen wanderten für einen Moment durch das Kabinenfenster zu den Wolken hinaus, kühle weiche Federbetten in einem unendlichen Himmel. Als dann Salomons Hand die ihre umschloss, war sie wieder ganz konzentriert.
»Du hast doch mindestens zehnmal so viel Phantasie wie ich, Sternchen. Stell dir das Internet einfach als eigene Welt vor – nicht umsonst spricht man ja vom Cyberspace. Jeder Computer in diesem virtuellen Raum stellt eine ganze Stadt mit Bibliotheken (den Datenspeichern), einer Sicherheitstruppe (also Zugangskontrollen, Virenscanner und so weiter), mit Postämtern (den E-Mail-Diensten) und vielem mehr dar. Die einzelnen Server-Städte sind durch Flüsse oder Kanäle miteinander verbunden, auf denen die Daten wie mit Schiffen hin und her transportiert werden. Außerhalb der Städte und Wasserstraßen gibt es nur Ödland. Dort kann nichts existieren. Wenn nun ein Lastkahn mit seiner Ladung in einer Stadt anlegen will, muss er zunächst die Firewall passieren, die Stadtmauer mit Hafeneinfahrt und Wache, wenn du so willst. Dort wird die Fracht genauestens inspiziert, manches sogar entfernt, was in den jeweiligen Stadtstaat nicht eingeführt werden darf. Will ein Datenkahn den Ort wieder verlassen, muss er ähnliche Kontrollen durchlaufen.«
»Das leuchtet mir ein.« Stella musste grinsen. »Stoßen die Schiffe eigentlich auch manchmal zusammen?«
»Das kommt tatsächlich vor. In diesem Fall werden sie einfach noch einmal auf die Reise geschickt. Hier nimmt mein Beispiel vielleicht etwas phantastische Züge an: Erst wenn ein Schiff – meist über viele Zwischenstationen – seinen Zielhafen erreicht, materialisiert es sich dort. Während der Reise kann man seinen jeweiligen Aufenthaltsort nie genau bestimmen. Sollte es unterwegs mit anderen Kähnen kollidieren, kann es sich in Nichts auflösen, um sogleich wieder am Heimathafen neu zu erstehen und einen weiteren Versuch zu unternehmen.«
»Naja, wenn der Cyberspace eine eigene Welt ist, warum sollten dann dort nicht auch eigene Naturgesetze herrschen«, meinte Stella achselzuckend. Für sie, die beschlagene Sagen- und Fantasyleserin,
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