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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bekannt, Zigtausende existieren bereits. Die Malware, Gentlemen, ist schon lange eine ernst zu nehmende Gefahr. Nebenbei dürfte Ihnen so gut wie mir bekannt sein, dass die Hacker sogar schon in hochsensible Bereiche vorgestoßen sind. Bei mir im Institut gehen täglich Berichte darüber ein. Schon im September 1996 wurde die Internet-Homepage der CIA gehackt – Mr. Finmore, erinnern Sie sich? –, und im März 1997 die der NASA. Sie werden wohl nicht behaupten wollen, ich hätte auch damit etwas zu tun. Ihre gefürchteten Hacker finden Sie nicht unter den Universitätsprofessoren. Oft sind es Kids, jünger noch als Richard Pryce, dieser Siebzehnjährige, der 1997 mit seinem lahmen 9600-Baud-Modem und einem Uralt-Rechner in das Computersystem des Pentagon eingedrungen war. All das sollte Ihnen zeigen, wie wichtig meine Arbeit ist. Ich setze mich für den umfassenden Schutz der Intimsphäre jedes Erdenbürgers und auch jeder juristischen Person ein, solange sie auf der Grundlage von Recht und Gesetz handeln. Das mag in Ihren Ohren vielleicht pathetisch klingen, aber ist dies wirklich ein Grund, mir daraus einen Strick zu drehen?«
    Stella war ganz hingerissen von dem Plädoyer ihres Vaters. Allmählich verstand sie, warum alle Studentinnen diesen dynamischen Professor anhimmelten. Selbst bei der binationalen Beamtengemeinschaft am Tisch schien seine feurige Rede nicht ohne Wirkung geblieben zu sein.
    Doch dann lehnte sich der CIA-Agent Finmore weit vor, legte seine feuchten Handflächen auf den glatt polierten Esstisch und sagte in bedrohlich ruhigem Ton: »Wir reden hier nicht von einigen Glücksfällen, Herr Kalder. Dass spielsüchtige Hacker einmal das große Los ziehen und die Homepage der CIA oder einer anderen Behörde knacken, hat ja nun wirklich nichts mit der gegenwärtigen Situation zu tun. Ihnen muss ich doch nicht erklären, was eine ›I-Bombe‹ ist, Professor. Sie selbst haben diesen Begriff geprägt, nicht wahr? Wir haben gesicherte Erkenntnisse, dass Ihr Szenario für einen solchen globalen Datenkill in Kürze Wirklichkeit werden könnte. Wenn Sie sich auf die Rolle des unschuldigen Apothekers zurückziehen wollen, meinetwegen. Aber möchten Sie dann immer noch der Giftmischer sein, wenn das eintrifft, was Sie damals in Ihrem Fachbeitrag beschrieben haben?«
    Mark war mit einem Mal blass geworden. Die I-Bombe! Er hatte sich die hypothetische Frage gestellt, wie die totale Zerstörung aller weltweit in Computern gespeicherten Daten erreicht werden könnte und welche Folgen sie mit sich bringen würde. Für dieses Szenario hatte er tatsächlich die erwähnte Bezeichnung geprägt. Er brauchte eine geraume Zeit, um die Worte des CIA-Agenten zu verarbeiten.
    »Sie meinen wirklich, Sie hätten ›gesicherte Erkenntnisse‹ für so einen globalen Datenkill?«, erkundigte er sich noch einmal. Seine Stimme klang ungewohnt rau.
    »Wir haben die Unterlagen dabei, damit Sie sich selbst ein Bild von unserer Analyse machen können, Professor.«
    Mark nickte und starrte mit glasigen Augen auf den Tisch. »Wenn mich das überzeugt, was Sie in Ihren Aktenkoffern und Notebooks haben, dann werden meine Tochter und ich morgen im Flugzeug neben Ihnen sitzen.«
    Friedman lächelte verlegen. »Es ist nicht nötig, dass Stella Sie begleitet, Professor. Wir benötigen Ihr Wissen, um den Cyberwurm zur Strecke zu bringen. Die Kleine würde sie dabei vielleicht nur stören.«
    Mark sah erst die Beamten an, dann blickte er in das Gesicht seiner Tochter. Stella erschrak, weil sie den gequälten Ausdruck in den Augen ihres Vaters nicht verstand.
    »Nein«, wandte Salomon sich wieder an seine Besucher. »Sie unterschätzen das Kagee, weil Sie seine Raffinesse nicht kennen. Die Vorfälle der letzten Tage beweisen eines ganz eindeutig: Der Mutant hat sein strategisches ›Denken‹ von Stella, meiner Tochter, erworben. Sie hat ihn geprägt. Ich kann ihr mit meinem Wissen zwar helfen, sie vielleicht ein Stück des Weges führen…« Er blickte traurig in Stellas Augen. »Aber am Ende musst du allein den Cyberwurm zur Strecke bringen.«

 
    THE BIG APPLE
     
     
     
    Wie wenig der Mensch eigentlich benötigt, sollte aus zwingendem Grund ein schneller Ortswechsel angesagt sein, war eine neue Erfahrung für Stella. Wenn gelegentlich Erdbeben oder Überschwemmungen die Menschheit heimsuchen wie die apokalyptischen Reiter, dann ist man gemeinhin schon zufrieden, sein nacktes Leben zu retten. Dagegen waren Salomon und seine Tochter bei

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