Das Netz der Schattenspiele
verantworten. So etwas passiere nicht aus Zufall. Jemand müsse sich das Kagee für seine Zwecke zunutze gemacht haben, ein überragender Verstand, der auch vor den Folgen seiner Anschläge nicht zurückschreckte.
Solche Gedanken waren Stella fremd. Sie mochte ja bisweilen eine Kratzbürste sein, aber niemals würde sie derartig scheußliche Dinge planen. Diese Einsicht beruhigte allmählich ihre Gefühle. Dafür war ihr Körper – ohnehin noch auf die Berliner Zeit eingestellt – nun hellwach. Zu Hause war es bereits halb elf Uhr vormittags, im Big Apple dagegen erst halb fünf.
»Darf ich ein bisschen fernsehen?«
Ihr Vater, offenbar froh, Stellas Gedanken in andere Bahnen gelenkt zu haben, antwortete: »Ich fühle mich auch munter wie ein Fisch im Wasser. Mach die Kiste ruhig an. Wir werden ja erst gegen neun abgeholt. Bis dahin kann ich noch einige meiner Unterlagen durcharbeiten. Später möchte ich Viviane anrufen.«
Während Salomon etliche Dokumente auf den Schirm seines flachen Notebooks rief, zappte Stella durch den Kanaldschungel. Diesem Zeitvertreib ging sie mit Vorliebe in amerikanischen Hotels und Motels nach, von denen sie in der Vergangenheit nicht wenige kennen gelernt hatte. Als sie, eher zufällig, um sechs Uhr die CBS-Nachrichten streifte, ließ eine merkwürdige Meldung ihren Finger von der Fernbedienung gleiten. Auch Salomon erhob sich Sekunden später vom Schreibtisch und näherte sich neugierig dem Bildschirm.
Der Nachrichtensprecher verkündete gerade mit kaum verhohlenem Schmunzeln den Tod des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika am Vortag. Dasselbe Schicksal hätte im Übrigen auch die Minister und sämtliche Senatoren ereilt. Ohne Ausnahme dokumentierten die einschlägigen Computerdatenbanken das am Dienstag eingetretene Ableben der Politiker und Politikerinnen. Der Präsident, der sich im Übrigen bester Gesundheit erfreue, zeigte sich ungehalten über sein frühzeitiges Dahinscheiden, erläuterte der Nachrichtensprecher mit einem Anflug von Schadenfreude.
Die noch am Vorabend befragten Experten hatten diese neueste Computerpanne fast ausnahmslos der bereits bekannten Serie von Vorfällen zugeordnet. Die ganze Affäre wäre vermutlich weder dem Präsidenten noch seiner Gattin weiter aufgefallen, wenn sie nicht just am Dienstag für den Ankauf eines größeren Anwesens in einem nicht näher bezeichneten Land eine behördliche Bescheinigung angefordert hätten. Im Gegensatz zu einigen eilig befragten Bürgern, die sich eher amüsiert über diesen jüngsten »Unfall« äußerten, sollten die Kommentare des mächtigsten Mannes der Welt sehr deftig ausgefallen sein, wussten wohl unterrichtete Kreise zu vermelden.
Er wolle, wenn er nun vermehrte Anstrengungen der Ermittlungsbehörden einfordere, nicht seine Person in irgendeiner Weise bevorzugt wissen, hatte der Präsident in einer ersten Stellungnahme verkündet. Aber immerhin hätten die Computerterroristen mit diesem jüngsten Angriff das höchste Amt der Vereinigten Staaten verunglimpft. Das dürfe nicht ungestraft bleiben.
»Der Alte soll Feuer und Schwefel gespuckt haben«, kommentierte Billy grinsend die Reaktion seines höchsten Amtsherren.
»Und woher wollen Sie das wissen?«, fragte Stella.
»Hab ‘n Freund, der beim Secret Service im Weißen Haus arbeitet. Rief mich heute früh an, weil er weiß, dass ich auch in die Aufklärung der Computeranschläge eingeschaltet bin. Hat mir brühwarm erzählt, der Tobsuchtsanfall des Präsidenten überträfe jeden Rekord, der bisher im Oval Office in dieser Disziplin aufgestellt wurde.«
Mark schüttelte ungläubig den Kopf, so wie er es schon beim ersten Mal getan hatte, als er die Nachricht aus den CBS-News erfuhr. »Ich wünschte, alle Anschläge würden sich auf solche Streiche beschränken. Möchte nur wissen, was der oder die Hacker sich dabei gedacht haben!«
Stella musste an ihre Theorie vom vergangenen Abend denken.
Währenddessen rollte Billys Supermobil getarnt als Yellow Cab von der Auffahrt des New York Hilton 8t Towers. Das Ziel ihrer Fahrt war der John F. Kennedy Airport, wo sie sich mit den anderen Teammitgliedern treffen und gemeinsam nach Fort Meade fliegen wollten. Der CIA-Agent suchte sich eine der mittleren Fahrspuren aus. Stella schmunzelte in sich hinein, als sie sich den Zeter und Mordio schreienden Präsidenten vorstellte.
Ein anderer Gedanke lenkte sie von diesem amüsanten Bild ab. Marks Versuch, Viviane ans Telefon zu bekommen, war
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