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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sprechen?«
    »Das wirst du bald merken«, antwortete Sesa Mina vergnügt. »Bald schon, wart’s nur ab.«
     
     
    Noch bevor das allgemeine Aufräumen einsetzte und der Markt für diesen Tag abgebrochen wurde, baute Stella ihren Stand ab und machte sich auf den Weg nach Hause. Wie so vieles, was sie in den letzten Stunden getan hatte, erschien ihr jeder Handgriff und jeder Schritt zugleich neu und doch vertraut.
    Eingangs des Marktes, an der Färbergasse, saß der Unterstadtkämmerer Cassata an einem dunklen Holztisch. Auf selbigem befand sich ein glitzernder Apparat aus Messing, welcher der wöchentlichen Abrechnung der verpachteten Standflächen diente. Stella förderte aus ihrem Beutel ein Kärtchen aus Horn zutage, in das mehrere Zeichen geprägt waren. Sie steckte die kleine Karte in den kompliziert aussehenden Messingkasten, worauf eine Glocke erklang. Zugleich rutschte eine schmale Pergamentzunge, die schon mindestens anderthalb Ellen lang war, einen Fingerbreit weiter aus der Maschine.
    »Danke, die Rechnung kommt am Montag«, leierte Cassata, als wäre er selbst Teil seiner Maschine.
    Stella schlug mit ihrem Karren den kürzesten Weg nach Hause ein. Sesa Mina, ihr Frettchen, hatte es sich auf einem der Käfige bequem gemacht und genoss ihre neu gewonnene Freiheit ebenso wie die Sonne auf dem Pelz.
    Gerade als Stella die Krumme Gasse passierte, bemerkte sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Sie drehte den Kopf nach rechts und sah gerade noch ebenjenen Fiesling, der ihr auf dem Markt so schmierige Komplimente gemacht hatte. Er gaffte ihr nach, halb versteckt hinter einem der Häuser in der Gasse.
    Stella setzte ihren Karren ab. Warum beobachtete sie dieser Kerl? Wollte er vielleicht ausspionieren, wo sie wohnte? Selbst in einer großen Stadt wie Enesa war es keine Sache, den Wohnsitz eines Einwohners in Erfahrung zu bringen. Im Großen Registeramt stand alles verzeichnet und konnte gegen eine geringe Summe von jedermann eingesehen werden. Allerdings nur, wenn man sich selbst zuvor in einer großen Kladde verewigt hatte. Vielleicht wollte dieser widerliche Mensch anonym bleiben.
    Stella zog den Knüppel hervor, den sie für einschlägige Zwecke ständig auf ihrem Karren mitführte, und grübelte, ob sie dem Mann folgen sollte.
    Aber noch bevor sie zu einem Entschluss gekommen war, sprang Sesa Mina von dem Gefährt und lief in die Krumme Gasse hinein.
    »Warte!«, rief Stella dem Frettchen nach, das dieser Aufforderung allerdings keine Beachtung schenkte. Stella seufzte und lief dem Tier hinterher. Sie war zwar ein Mädchen, aber weder zaghaft noch wehrlos. Wenn der Kerl sie hinter der Biegung erwartete, würde er mit ihrem Knüttel Bekanntschaft machen. Sie hatte damit schon so manchen übereifrigen Verehrer in die Flucht geschlagen.
    Als sie den Knick erreichte, den die Krumme Gasse gerade an der Stelle machte, an der sie ihren heimlichen Beobachter zuletzt gesehen hatte, war dieser natürlich längst verschwunden. Doch Sesa Mina dachte noch lange nicht an Umkehr. Ihr weißes Fell schimmerte am Fuß eines großen Hauses weiter unten in der Gasse. Da gewahrte Stella wieder eine Bewegung, nicht viel mehr als das Zucken eines Schattenrandes. »Warte, Bürschchen, dich kriege ich«, flüsterte sie und rannte los.
    Als sie an das verdächtige Gebäude herangekommen war, meinte sie tatsächlich einen Schatten vor dessen Tür zu sehen (seltsam, vorher war ihr der Eingang überhaupt nicht aufgefallen). Sesa Mina saß auf der untersten der beiden Stufen, die zu der schmalen schwarzen Tür hinaufführten, unmittelbar unter dem Schemen. Stella schauderte. Der Schatten schien »herrenlos« zu sein, nur ein unstetes dunkles Gebilde ohne passenden Körper.
    Stellas Schritte verlangsamten sich. Ohne Hast ging sie auf das große blau getünchte Haus zu. Für einen Moment huschten ihre Augen zu einem kleinen Schild, das sich neben dem Eingang befand. »Geheimes Stadtarchiv« stand darauf.
    »Habe gar nicht gewusst, dass es so was in Enesa gibt«, murmelte Stella mehr zu sich selbst, um sich dann mit erhobenem Knüppel dem Schatten zu widmen.
    »Ihr habt hier nichts zu suchen«, fuhr der Stella so unvermittelt an, dass ihr der Prügel aus der Hand rutschte. Zugleich schien der Schemen an Volumen zu gewinnen. Sesa Mina zog sich fluchtartig auf die Schulter ihrer Herrin zurück.
    Die konnte nur stammeln: »W-Was… Wer seid Ihr?«
    »Nur ein Wachtposten, der darauf Acht gibt, dass sich kein lichtscheues Gesindel an unseren

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